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Gleinstätten


Der einstige Wehrbau dürfte gemeinsam mit dem Ort im 12. Jahrhundert entstanden sein. Beide hießen ursprünglich Micheldorf. Möglicherweise gab es einen Vorgängerbau aus der Karolingerzeit, der aber bereits in den Ungarnstürmen des 10. Jahrhunderts abgekommen ist. Im 12. Jahrhundert wurde der Ort neu besiedelt. Die damaligen Burgherren nannten sich nach dem Ort Micheldorf. Chunradus de Micheldorf wird 1245 erstmals genannt. Er war ein Lehensmann der Kranichberger, besaß die Burg aber als freies Eigen. 1285 wurden die Micheldorfer von den mit ihnen verwandten Gleinzer abgelöst, auf die der heutige Name von Schloss und Ort zurückgeht. Sie standen im Dienste der Erzbischöfe von Salzburg bzw. der Bischöfe von Seckau. Die Mitglieder der Familie waren als Salzburger Dienstmannen um 1100 aus dem bayrischen Chiemgau in die Weststeiermark gekommen. Sie hießen ursprünglich Kelzen und nahmen den Namen des von ihnen gerodeten Gleinztales, südlich von Frauenthal, an. Heinrich von Gleinz war um 1350 Salzburger Jägermeister im Sausal. Balthasar von Gleinz erhielt 1523 von König Ferdinand I die Erlaubnis, das Dorf Gleinczstetten und sich selbst „von Gleinczstetten“ zu nennen. Die Untertanen der Herrschaft wohnten überwiegend in Gemeinden des Sulmtales und des Sausals. Reinprecht von Gleinz dürfte 1556 den bestehenden Bau in ein italienisches Renaissanceschloss verwandelt haben. Er war ein Abenteurer und Lebemann, der bis nach Jerusalem reiste und an großen Turnieren in Wien teilnahm. Sein aufwändige Lebenswandel und die hohen Baukosten führten bald zu einer starken Verschuldung der Herrschaft sowie zu Abverkäufen von Grundstücken. 1572 erwarb die mit den Gleinzern verwandte Regina von Rindscheit die Herrschaft als Pfand. Dieses wurde zwar bald wieder eingelöst, Gleinstätten aber 1607 an Benigna von Globitzer verkauft. Ihr Sohn Wolfgang übergab zwei Jahre später die Herrschaft an Erzherzog Ferdinand und nahm sie als Lehen wieder zurück. 1620 kam Gleinstätten als landesfürstliches Lehen an die Freiherren von Zeller, die dem Schloss sein heutiges Aussehen gaben. Ein Brand führte 1666 zur Wiederherstellung und Erweiterung durch den Baumeister Franz Isidor Carlone. Auf ihn gehen die zwiebelbekrönten Türme zurück.

Andre Freiherr von Zehentner pachtete 1667 die Herrschaft und kaufte sie schließlich nach drei Jahren. Es gelang ihm aber erst nach einem langen Rechtsstreit mit dem Vormund der Zellerschen Kinder, diese tatsächlich in Besitz zu nehmen. 1688 war der Besitz bereits neuerlich schwer verschuldet. Ludwig Graf Khuenburg erwarb 1728 Gleinstätten. Durch Zukäufe machte er es zu einer der größten Grundherrschaften der Weststeiermark. Er ließ das Schloss mit prächtigen Stuckdecken und bemalten Wandbespannungen ausstatten. Letztere befinden sich schon seit vielen Jahren im Landesmuseum Joaneum in Graz. Ludwigs Erben besaßen Gleinstätten bis 1885, als es vom Reichsfreiherrn Wucherer von Huldenfeld übernommen wurde. Durch Grundverkäufe war zu diesem Zeitpunkt die Herrschaft bereits deutlich geschrumpft. 1939 übernahm die Lebensmittelfirma Inzersdorfer das Schlossareal und betrieb bis 1971 in den Nebengebäuden die Hügelland Obstverwertung Gmbh. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlotterte das Schloss, da es in zahlreiche Substandardwohnungen unterteilt worden war und der Eigentümer an keinen Investitionen interessiert war. Nachdem es in einem Turmzimmer zu einem Deckeneinsturz gekommen war, wurde 1972 sogar der Abbruch überlegt, um den Platz für Neubauten zu nutzen. Doch wurde 1975 das bereits zur Halbruine gewordene Gebäude von der Marktgemeinde Gleinstätten übernommen und in den Jahren 1975 bis 1978 vorbildlich restauriert. Es dient heute als Volksschule, Kindergarten und Gemeindeamt. Im überdachten Schlosshof finden Konzerte und Theaterabende statt.

Schloss Gleinstätten liegt auf einer Terrasse südlich des gleichnamigen Marktes über dem steilen Ufer der Sulm. Es beeindruckt durch seine Geschlossenheit. Die ursprüngliche Burg hatte nur an der Südseite einen natürlichen Schutz durch die Sulm. An den anderen Seiten musste sie durch tiefe Gräben und starke Wehrmauern gesichert werden. Von dieser, am Vischer-Stich von 1681 gut erkenntlichen, durch vier niedere Ecktürme verstärkten Wehrmauer sind nur noch Reste erhalten. Sie dürfte unter der Herrschaft der Grafen Khuenburg weitgehend abgebrochen worden sein. Der mächtige Vierflügelbau stammt zum größten Teil aus dem 17. Jahrhundert, wenn er auch seinen Renaissancecharakter – vor allem im Hof – weitgehend bewahrt hat. Im Südtrakt kann man noch erkennen, dass Teile des mittelalterlichen Wehrbaues in den Renaissance-Neubau einbezogen wurden. Das Schloss ist ein regelmäßiges dreigeschossiges Gebäude, das einen malerischen Arkadenhof umschließt. Seine Außenmaße betragen etwa 36 x 30 m. Da Teile des Vorgängerbaues in den Neubau integriert wurden, ist der Grundriss des Schlosses nicht ganz rechtwinkelig. An der Flussseite wird es von zwei starken Rundtürmen mit barocken Zwiebelhelmen flankiert, die das Schlossdach leicht überragen. Die beiden restlichen Turmaufbauten sind nicht mehr vorhanden. Der letzte wurde nach seinem 1975 durch die Schneelasten hervorgerufenen Zusammenbruch nicht mehr erneuert. Die Kellergewölbe der Türme stammen noch aus dem 16. Jahrhundert. Ein starker Rundturm, der wohl Kern der mittelalterlichen Wehranlage war, ist schon im 17. Jahrhundert abgebrochen worden. Der große turmartige Dachreiter, der am Vischer-Stich von 1681 zu sehen ist, wurde 1770 abgetragen.

Die Außenfassaden sind mit einer Pilastergliederung in Sgraffitotechnik aus dem 17. Jahrhundert versehen. Das Portal liegt in der Mitte des Nordflügels. Der Ostflügel ist unterkellert. Darüber finden sich bis ins erste Obergeschoß tonnengewölbte Decken. Die beiden oberen Stockwerke sind über die Hauptstiege im Innenhof und über eine Nebenstiege im Westflügel zugänglich. In den Räumen des ersten Stocks findet sich einfacher Deckenstuck, während das zweite Obergeschoß mit reichhaltigen Stukkaturen geschmückt ist. Die Repräsentationsräume befinden sich hier im Nord- und Ostflügel. Im Erkerzimmer zwischen Nord- und Westflügel hat sich ein Deckengemälde erhalten. Der quadratische Innenhof zeigt an der Nord- und der Ostseite dreigeschossige Arkaden mit zum Teil spiralig gedrehten Säulen. Zwei Säulen im Erdgeschoß sind mit 1556 datiert. Der Westseite sind gemauerte Pfeilerarkaden des 17. Jahrhunderts vorgesetzt. Wie bei Renaissancearkaden üblich, sind die Bögen im Erdgeschoß weit gespannt. Im Obergeschoß der Eingangsseite sind sie wesentlich enger, dafür aber doppelt so zahlreich. Das Grabrelief im Osten des Hofes ist Hans von Globitzer gewidmet und mit 1600 datiert. In der Südostecke des Hofes ist das dreiläufige Treppenhaus eingebaut.

Der Hof wurde 1978 mit einem Glasdach versehen. Dadurch konnte auf eine Verglasung der Arkaden verzichtet werden. Er dient seither für die Schüler als Pausenraum und wird ansonsten für Versammlungen und kulturelle Veranstaltungen genutzt. Die ehemalige, der Muttergottes geweihte Kapelle liegt hofseitig im Südtrakt. Sie wurde 1740 fertig gestellt. und reichte über zwei Geschosse. Die Herrschaft konnte vom Obergeschoß aus den Gottesdienst verfolgen, während das Personal im Erdgeschoß saß. Die Kapelle ist längst profaniert. Der Altar dient nun der benachbarten Pfarrkirche als Hochaltar. Von der ursprünglichen Ausstattung des Schlosses hat sich außer den Stuckdecken nichts erhalten, da in der Nachkriegszeit praktisch die gesamte Einrichtung verheizt oder verschleppt wurde. Sogar die Türen, Türstöcke und Kachelöfen waren herausgerissen worden. Längst verschwunden sind alle Wehreinrichtungen, wie Mauern, Türme und Gräben. An der Nordseite des Schlosses erstreckt sich ein Park, der ursprünglich als prächtiger Renaissancegarten angelegt worden war, aber vor allem in der Nachkriegszeit durch Schlägerungen schwer gelitten hat. Durch die Anlage einer Gemeindestraße ist er nunmehr vom Schloss getrennt.

Lage: Steiermark/Südsteiermark – ca. 17 km südwestlich von Leibnitz

Besichtigung: meist nur von außen möglich, der Schlosshof ist aber zugänglich


Weitere Literatur:


25.02.2012