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Matzen (Inntal)


Der niedrige Hügelrücken, auf dem das heutige Schloss steht, war schon zur Römerzeit besiedelt, da eine wichtige Straße an seinem Fuß vorbeiführte. Der Name Matzen leitet sich von der hier befindlichen Straßenstation Mascianum ab. Im Mittelalter gehörte der Besitz den mächtigen Freundsbergern, die bereits 1167 als „de Friunsperch von der Matzen“ genannt werden. Allerdings ist diese Nennung etwas zweifelhaft. Gesichert ist sie jedenfalls für 1282. Matzen war damals eine von mehreren Turmburgen, die diese Familie im Unterinntal besaß. Als Pfleger fungierten meist Angehörige des niederen Adels oder sogar des Bauernstandes. Während des Adelsaufstandes unter Heinrich von Rottenburg gegen Herzog Friedrich mit der leeren Tasche wurde die Burg 1410 zweimal mehrere Wochen hindurch von bayrischen Truppen erfolglos belagert. Noch um 1900 fand man bei Erdarbeiten im Schlossgarten Steinkugeln, die damals gegen die Burg abgefeuert wurden. Als die Freundsberger 1468 ihre gesamten Tiroler Besitzungen verkauften und nach Mindelheim in Schwaben auswanderten, ging Matzen an Matthias Türndl, den Kammermeister Herzog Sigmunds. Danach wechselten sich im Besitz der Herrschaft mehrere reiche Gewerkenfamilien ab. Von 1505 bis 1512 war Veit Jakob Tänzl Burgherr. Im zweiten Viertel des 16. Jh. ließ Sigmund Fieger, der durch den Schwazer Silberbergbau reich geworden war und der Matzen von 1521 bis 1551 besaß, die Burg zum wohnlichen Renaissanceschloss umbauen. Es folgten Georg Ilsung und dann die Fugger (1589 – 1657), die das Innere reich ausstatteten. Sie ließen unter anderem mehrere kostbare Fayenceöfen einbauen, die bis heute erhalten sind. Von 1657 bis 1684 waren zuerst Anton Freiherr von Girardi und dann Mattias Pock von Arnholz die Eigentümer von Matzen. In dieser Zeit wurde auf der Burg die niedere Gerichtsbarkeit ausgeübt, während ergriffene Malefizpersonen zur Aburteilung nach Rattenberg ausgeliefert werden mussten. Ihre Nachfolger waren die Herren von Yrsch. 1703, während des „Boarischen Rummels“, plünderten und brandschatzten die Bayern das Schloss.

Noch schlechtere Zeiten kamen aber 1734, als Josef Rupert von Pfeiffersberg das noch immer beschädigte Gebäude erwarb. Damals waren die Pfeiffersberg ein angesehenes, reiches Geschlecht, das auch in Innsbruck ein Palais besaß, in dem heute die Kulturabteilung des Landes Tirol untergebracht ist. Obwohl die Familie die inzwischen verloren gegangene niedere Gerichtsbarkeit wieder erhielt, kümmerte sie sich kaum um die Erhaltung und ließ Matzen praktisch 140 Jahre lang verkommen. Sie verkaufte alles, was verkäuflich war: Grundstücke, das Mobiliar, das Archiv und die wertvolle Waffensammlung – letztere nach Gewicht. Nur zwei metallene Kanonen blieben erhalten. Der endgültige Untergang schien besiegelt, doch 1873 erwarb die Irländerin Fanny Read of Mount Heaton, eine Kusine des Herzogs von Wellington, das bereits weitgehend unbewohnbare Schloss. Sie war in erster Ehe mit dem Wiener Kunstsammler Adolf Grohmann und nach dessen Tod mit Ludwig Friedrich Schnorr von Carolsfeld, dem Sohn des bekannten Malers, verheiratet. Sie ließ größere Umbauarbeiten vornehmen und die rund 100 Räume mit wertvollen Einrichtungsgegenständen neu ausstatten. Damals entstand auch der malerische Erker am Südtrakt, der eher ein Werk der Renaissance vermuten lässt. Ihr Sohn William Baillie Grohmann, ein bekannter Schriftsteller, Bergsteiger und Jäger, sammelte ebenfalls kostbares Inventar und bereicherte die Räume mit seinen Jagdtrophäen aus aller Welt. Im Zweiten Weltkrieg war Schloss Matzen Auslagerungsort für Bestände des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum und der Universitätsbibliothek Innsbruck. 1957 kaufte der austro-amerikanische Architekt Ernst Kump den Besitz. Er brachte das Schloss aus steuerlichen Gründen in seine Liechtensteiner Stiftung „Jerni Foundation“ ein, die auch heute noch als Eigentümer fungiert. Nun wurde Matzen mit modernem Komfort wie Badezimmern und Zentralheizung ausgestattet. Es diente zeitweise als Frühstückspension. Der jetzige Eigentümer, Christoph Kump, ist an einem Verkauf interessiert.

Matzen liegt auf einem schmalen, auf drei Seiten steil abfallenden Hügel über der Bundesstraße. Einst floss der Inn, dessen Bett heute etwa 300 m entfernt liegt, unmittelbar an der Nordwestseite der Burg vorbei. Man konnte daher von hier aus sowohl die Straße durch das Inntal als auch die bis in das 19. Jh. hinein wichtige Innschifffahrt kontrollieren. Das Schloss ist eine langgestreckte Anlage zwischen zwei Türmen, dem alten rechteckigen Torturm im Westen und dem runden Bergfried im Osten. Der ursprüngliche Haupteingang lag an der Westseite. Er wurde erst im 19. Jh. nach Osten verlegt. Der Westtrakt ist der am tiefsten liegende Teil des Schlosses. Er entstand aus der spätromanischen Vorburg und umgibt den unteren Burghof. Sigmund Fieger ließ dessen viergeschossige Flügel mit Arkaden im Stil der Schwazer Gewerkenhäuser versehen. Unter ihren Bögen hängen heute zahlreiche Jagdtrophäen. In der Vorburg gab es seinerzeit einen Brunnen, der bis auf das Inn-Niveau hinabreichte. Der Überlieferung nach wurde er 1703 zugeschüttet, nachdem man im Schloss ein Feldlazarett eingerichtet und die Leichen angeblich einfach in den Brunnen geworfen hatte. Das Schloss hatte aber bereits im 16. Jh. eine Wasserleitung erhalten, so dass man nicht mehr auf das Wasser des Brunnens angewiesen war. An den Westtrakt schließt, etwas höher liegend, der eigentliche Wohntrakt aus dem 16. Jh. an. In ihm ist der alte Palas verbaut. Die dem hl. Thomas und dem hl. Kreuz geweihte zweigeschossige Kapelle liegt im Nordtrakt. Sie ist mit Stukkaturen geschmückt, die Matthias Pock 1668 in Auftrag gab, als er die Kapelle im Barockstil erneuerte. Für diese Kapelle war auch das berühmte „Matzner Kruzifix“ bestimmt, das Sigmund Fieger zu Beginn des 16. Jh. erwarb. Es wurde vermutlich von Hans Leinberger aus Landshut geschnitzt. Seit 1957 wird es als Dauerleihgabe im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck aufbewahrt. Im Erdgeschoß des Südflügels befindet sich ein rotmarmornes Portal. Die spätgotischen Rankenmalereien und das Wappen stammen aus der Zeit um 1500. Markantester Bauteil des Schlosses ist der mächtige, sechsgeschossige Bergfried, der die von der Natur nicht geschützte östliche Schmalseite deckte. Dieser Rundturm stammt noch aus der Frühromanik. Er zeigt schönes regelmäßiges Mauerwerk und einen steingefassten rundbogigen Hocheinstieg im ersten Stock. Die kleine Pforte im Erdgeschoß der Ostseite des Turmes wurde erst um die Mitte des 19. Jh. ausgebrochen. Ursprünglich verjüngte er sich vom dritten Stockwerk an nach oben, doch wurde dies im Zeitalter der Gotik als störend empfunden und durch eine Ummauerung ausgeglichen. Dieser Typ des „Butterfassturmes“ ist in Tirol relativ selten. Die Kragsteine im oberen Bereich weisen auf einen ehemaligen Wehrgang hin. Der Schlosspark von Matzen gehört zu den schönsten Gartenanlagen Tirols. Er wurde um 1885 von Franz Freiherr von Lipperheide in Auftrag gegeben und nach englischem Vorbild gestaltet. Auf einer Gesamtfläche von 15 ha wurden vier künstliche Teiche sowie historisierende Kleinbauten und Denkmäler angelegt. Man findet hier 40 verschiedene Baumarten aus Europa, Asien und Nordamerika. Im Sommer finden im Park kulturelle Veranstaltungen statt.

Lage: Tirol/Unteres Inntal – unweit von Brixlegg

Besichtigung: derzeit nicht möglich

Homepage: www.schlosshotel-matzen.com


Weitere Literatur:


05.12.2002