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Unterthurm (Vestenthurn)


Die heutige Ruine Unterthurm ist der Rest der alten Veste Turn, die möglicherweise auf einen Verteidigungsbau des Magyarenhags zurückgeht. Die spärlichen urkundlichen Nachrichten über die Burg setzen aber erst im ausgehenden Hochmittelalter ein. Der bescheidene Ansitz war Wohnort einer kleinadeligen Familie. 1212 wird ein Heinrich von St. Christophen als Notar (Schreiber) Ottos von Lengenbach genannt, der vermutlich in Turn wohnte. Die erste gesicherte Erwähnung der Burg erfolgte 1246 mit „Leutoldus castellanus in Turri“. Im 14. Jh. hatten die Ritter von Seebach die Veste als landesfürstliches Lehen inne. Jörg Seebeck, dem Turn 1386 gehörte, war zugleich Pfleger auf der Burg Neulengbach. 1401 scheint Stephan Fronauer als Lehensnehmer der Wallseer in Altlengbach und Turn auf, doch konnte er sich gegen die Seebeck nicht durchsetzen, so dass bereits 1418 wieder ein Stephan Seebeck in Thurn saß. 1455 erwarb Ritter Hans von Ladendorf die Herrschaft. Nach dem Aussterben seiner Familie erbten die aus dem Weinviertel stammende Familie Reicker die Burg. Diese wurde beim verheerenden Erdbeben von 1590 schwer beschädigt, aber bald wiederhergestellt. Einem Urbar von 1611 ist zu entnehmen, dass sie damals bestens gepflegt war und dass sogar ein Lustgarten existierte.

Nach dem Tod des letzten Reickers kam Turn um 1613 an eine Nebenlinie der Grafen von Hardegg. August Graf Hardegg, Herr zum Thurn, war Kämmerer Erzherzogs Maximilian und Rat der niederösterreichischen Hofkammer. Er war Protestant und lag mit dem katholischen Pfarrer von Altlengbach in Streit. Daher ließ er sich und seine Familie in der eigenen Schlosskapelle beisetzen. Mit Georg Bernhard starb 1682 die Turner Linie der Hardegger Grafen aus, doch wurde bereits ein Jahr zuvor die Herrschaft an Christoph Johann Graf Althan verkauft. Nach den Zerstörungen des Türkenjahres 1683 wurde die Burg nicht mehr restauriert und verkam zur Ruine. Über Johann Karl Graf Kuefstein kam Turn 1713 an Johann Paul Bartolotti von Partenfeld. Als dessen Brüder und Nachfolger durch den Konkurs des Wechselhauses Hauzenberger den größten Teil ihres Vermögens eingebüßt hatten, mussten sie 1740 auch Turn verkaufen. Als Eigentümer folgten nun Fürst Theodor Konstantin Lubomirski, Karl Abraham Wetzlar von Plankenstein und 1797 Moritz Graf Fries. 1828 übernahmen die Fürsten Liechtenstein mit der Herrschaft Neulengbach auch Turn. Um 1885 pachteten die „Ritterorden zum Grünen Humpen“ in Wien und „zum Silbernen Humpen“ in Neulengbach die Ruine. Im wieder bewohnbar gemachten Nordwestturm wurden von kostümierten Literaten und Künstlern originelle Ritterfeste gefeiert. 1902 pachtete ein Neulengbacher Geschäftsmann, der sich „Ritter von Kornthal“ nannte, den Turm. Mit dem Ersten Weltkrieg war es dann mit dem geselligen Treiben vorbei. Unterthurm gehört heute den Prinzen von Liechtenstein in Dietersdorf, die den Turm aber vermietet haben.

Einem Kupferstich von Georg Matthäus Vischer ist zu entnehmen, dass um 1672 Unterthurm eine eher wohnliche als militärisch bedeutende Anlage war. Da es von Hügeln umgeben ist, wäre es mit dem Aufkommen der Artillerie auch nicht mehr zu verteidigen gewesen. Der an der Nordseite des Burghügels vorbeifliessende Bach war einst vor der Westfront zu einem Teich aufgestaut, dessen Dämme noch zu erkennen sind. Die Ringmauer ist im Norden und Westen noch weitgehend erhalten. Während der im 19. Jh. restaurierte Nordwestturm im Sommer bewohnt ist, sind nur mehr Mauerreste des Südwestturms, der das Tor zu schützen hatte, erhalten. Von hier führt ein schmaler Zwinger um die Hochburg herum in den kleinen Burghof. An seiner Westseite liegen die spärlichen Reste eines großen Getreidekastens. Kern der Anlage ist der im Süden, am Rand des nur 9 m hohen Burghügels, stehende dreigeschossige Palas. Er ist der älteste Teil der Anlage und dürfte im 14. Jh. von den Seebeckern errichtet worden sein. Dieser fast quadratische, turmähnliche Bau hatte die Funktion eines „festen Hauses“, ist aber heute nur mehr in Resten erhalten. Er ersetzte zugleich den Bergfried, der bei kleineren Rittersitzen aus Kostengründen meist eingespart wurde. Der dem Palas vorgelagerte Uhrturm, der noch um 1800 existierte, heute aber bis auch wenige Trümmer verschwunden ist, hatte nur schwache Mauern und kam daher als Bergfried nicht in Frage. Außerdem war er ein späterer Zubau. Am östlich an den Palas anschließenden, stark verfallenen Trakt, steht noch die Wand der einstigen Kapelle mit einer Nische und einem aus Ziegeln gemauerten Spitzbogenfenster. Sie dürfte aber erst von den protestantischen Hardeggern kurz vor 1621 erbaut worden sein. August von Hardegg ließ sich hier bestatten. Damals versuchte man auch das Innere der Burg wohnlicher zu gestalten. In die Palasmauern wurden größere Fenster gebrochen und Kamine eingezogen. Diese Veränderungen sind durch das Ziegelmauerwerk kenntlich. Auch die Schießscharten in der Ringmauer wurden unter Benützung von Ziegeln umgestaltet.

Lage: Niederösterreich/Wienerwald – am Ostufer der Großen Tulln, gegenüber dem Ort St. Christophen

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


02.12.2002