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Peigarten


Das Gebiet um Peigarten wurde im 11. Jahrhundert durch die Herren von Raabs kolonisiert. Die einstige Burg war Teil eines vorwiegend im 12. Jahrhundert errichteten Burgengürtels entlang der Thaya, der das Land vor feindlichen Angriffen aus dem Norden sichern sollte. Peigarten hatte dabei aber eher kleinräumige Aufgaben. Gemeinsam mit dem Hausberg „Aislab“ sollte es das Taxental, eine für den Verkehr zwischen Raabs und Litschau wichtige Verbindungslinie sichern. Dies war durch die häufigen Einfälle der Böhmen (1040, 1129, 1177, 1179) notwendig geworden. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts soll Hadmar II von Kuenring-Weitra Güter in Peigarten besessen haben. Wer die erste Burg hier errichten ließ, ist aber nicht bekannt. 1201 werden Konrad und Eberhard von Pigarten genannt. Zu diesem Zeitpunkt muss also bereits ein Adelssitz in irgendeiner Form existiert haben. Die Herren von Peigarten waren damals Ministeriale des Grafen Gebhard von Hirschberg. Im 13. und 14. Jahrhundert treten sie mehrfach als Zeugen urkundlich auf. Ab 1266 trugen einige ihrer Familienmitglieder den Beinamen „Pucel“ oder „Putzel“. Auch im 14. Jahrhundert kam es zu mehrfachen Überfällen böhmischer Truppen. 1328 und 1336 waren deren Verwüstungen so arg, dass von den Bauern kein Zehent abgeliefert werden konnte. Die Herren von Peigarten dürften um 1375 ausgestorben sein. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts verkauften die damaligen Lehensherren von Peigarten, Pilgrim und Johann von Puchheim, die Herrschaft an Jakob Dachsner (Taxner), dem die unweit gelegene Feste Taxen gehörte. Er wurde aber erst 1404 offiziell von der Lehenschaft befreit. Herzog Albrecht III hatte bereits 1386 Peigarten mit einem Burgfrieden ausgestattet. In der diesbezüglichen Urkunde wurden die Rechte des Burgherrn genau definiert. Neben den Bestimmungen des Jagdrechtes und des Steuerrechtes wurde auch darauf hingewiesen, dass mit der Burg eine Freyung verbunden war. Außerdem wurde festgehalten, welche Strafen bei welchen Verbrechen der neue Gerichtsherr verhängen durfte. Peigarten wurde zum freien Eigen der Dachsner. Georg Dachsner war von 1446 bis 1457 Hubmeister in Niederösterreich, was üblicherweise mit großen Einkünften verbunden war. Letzter Vertreter seiner Familie auf Peigarten war Paul Dachsner. Er wird 1460 letztmals erwähnt. Danach saß hier Heinrich von Neuhaus. Er wurde des Raubrittertums bezichtigt, da er mehrfach Bürger der Stadt Waidhofen bedrängte. Schließlich musste er vom kaiserlichen Landverweser Heinrich von Puchheim mit einem Heer von 800 Reitern und Fußsoldaten zur Unterwerfung gezwungen werden.

1481 verkaufte Heinrich von Neuhaus die Burg an Bernhard von Inpruck und dessen Gattin Dorothea. Die Inprucker zählten zu den ältesten Ritterfamilien der Stadt Wien, wo sie immer wieder wichtige Ämter, wie z. B. das des Stadtrichters inne hatten. Sie besaßen aber auch mehrere Herrschaften in Niederösterreich. Während der Ungarnkriege standen viele Waldviertler Adelige auf der Seite von Matthias Corvinus. Johann von Puchheim übergab ihm 1486 die Burg. Als Kaiser Friedrich III nach Corvinus Tod wieder das Sagen hatte, verlieh er die Herrschaft an den Ritter Pankraz Kressling (Krößling). Im Winter 1492/93 setzte sich der böhmische Landsknechthauptmann Pribik Vrecko hier fest und plünderte das umliegende Land. Er war zuvor ein Söldnerführer des ungarischen Königs gewesen, führte seine Raubzüge aber nun auf eigene Rechnung durch. Anfangs Mai konnten die beiden Räubernester Thaya und Peigarten von kaiserlichen Truppen eingenommen und Vrecko vertrieben werden. Pankraz Kressling erhielt seine Herrschaft wieder zurück. Er verkaufte sie aber schon 1501 an den Ritter Johann Baptist Schönauer. Wolfgang Inprucker beschwerte sich jedoch bei Kaiser Maximilian I, dass Peigarten seinen Eltern unrechtmäßig weggenommen wurde. 1513 erhielten die Inprucker ihre Herrschaft wieder zurück. Im gleichen Jahre entband sie Erhard von Polheim von der Lehenspflicht, so dass Peigarten zum freien Eigen der Inprucker wurde. Zwischen 1526 und 1534 saß der Ritter Johann Enzenwieser auf der Burg. In welcher Funktion ist nicht bekannt. Anschließend findet man hier wieder die Inprucker. Um 1580 gehörten zur Herrschaft 91 untertänige Hofstätten, von denen aber nur 8 in Peigarten lagen. Die übrigen verteilten sich auf 8 Orte in der Umgebung.

Die Inprucker waren eifrige Protestanten. Sie gehörten auch zu den 166 protestantischen Adeligen, die um 1608 dem gegen den Kaiser gerichteten Horner Bunde beitraten. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde das Herrschaftsgebiet mehrfach von böhmischen und ungarischen Truppen geplündert. Aber auch die 700 Reiter und 200 Musketiere unter dem kaiserlichen Oberst Dampierre, die zum Schutz gegen diese Einfälle ins obere Waldviertel verlegt worden waren, taten sich durch große Schäden und Gräueltaten an der Bevölkerung hervor. 1620 verweigerte Rudolf von Inpruck wie viele protestantische Adelige Kaiser Ferdinand II vorerst die Huldigung. Um nach der verhängnisvollen Schlacht am Weißen Berg der drohenden Ächtung und dem Verlust seiner Güter zu entgehen, muss er diese aber noch im gleichen Jahr geleistet haben. Gegen Ende des 30-jährigen Krieges hatten sich die zur Herrschaft gehörenden Untertanen-Häuser von 91 auf 28 reduziert. Von den acht in Peigarten befindlichen Häusern standen vier leer. Wie die meisten Güter im Waldviertel hatte auch Peigarten durch die zahlreichen Einquartierungen und Übergriffe durchziehender Soldaten stark gelitten. Mit Rudolfs Söhnen Melchior Georg und Wolf Ehrenreich starb die Familie Inprucker aus. Unter ihnen waren die Steuerschulden so stark angewachsen, dass die niederösterreichischen Landstände 1642 die Herrschaft zu verkaufen versuchten. Es fand sich aber kein Käufer. Erst 1644 erwarb Abt Cornelius von Lilienfeld Peigarten.

Trotz vieler Streitigkeiten mit den Erben der Inprucker und den benachbarten Herrschaften behielt Lilienfeld Peigarten bis zur Auflösung des Stiftes 1789. In dieser Zeit wurde es ausschließlich von stiftseigenen Patres verwaltet. Es waren gute Jahre, in denen sich die Herrschaft von den Kriegsgräueln der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erholen konnte. Das Stift benützte Peigarten in erster Linie für wirtschaftliche Zwecke und richtete hier u. a. eine Schäferei, eine Brauerei und eine Schnapsbrennerei ein. Vor allem durch die Einführung des Kartoffelanbaues verbesserte sich auch die wirtschaftliche Situation der Untertanen, deren Anzahl wieder deutlich anstieg. Im späteren 17. Jahrhundert hatte das Stift die längst militärisch wertlos gewordene Feste zu einem, zwei- bis dreigeschossigen Barockschloss umbauen lassen. Stift Lilienfeld zählt zu den wenigen Klöstern Österreichs, die zwar von Kaiser Josef II aufgehoben wurden, bei denen aber diese Aufhebung bereits nach wenigen Monaten wieder rückgängig gemacht wurde. Auch Peigarten, das im Mai 1790 an drei Privatpersonen verkauft worden war, sollte dem Stift wieder zurückgegeben werden. Man einigte sich aber dahingehend, dass das Gut bei den Käufern blieb. 1792 wurde es an Johann Christian von Henssler verkauft. Der Gutsherr von Peigarten besaß zwar die Ortsobrigkeit und die niedere Gerichtsbarkeit über den Ort, doch war das Landgericht Dobersberg für die Ahndung schwerer Verbrechen zuständig. 1794 erwarb der k. k. Leibmedicus Joseph Edler von Habermann die Herrschaft. 1800 befand sie sich wieder im Besitz von Philipp Püffel, der bereits 1790 zu den drei Personen gehört hatte, denen der Staat Peigarten verkauft hatte. 1801 erwarb Graf Tuccmann das Gut für seine Verwandte Maria von Porta. 1812 kaufte es Philipp-Ferdinand Graf von Grünne. Die Grünne gehörten zu den ältesten belgischen Adelsfamilien. Sie wurden 1171 erstmals urkundlich erwähnt. Philipp-Ferdinand gilt als Begründer der österreichischen Linie der Familie.

Als Generaladjutant und Obersthofmeister des Erzherzogs Karl hatte er in den Franzosenkriegen eine wichtige Rolle gespielt. Er vereinigte Peigarten mit seiner Herrschaft Dobersberg. Außerdem besaß er auch Taxen und Illmau. Da Dobersberg wesentlich mehr Wohnqualität bot, wohnten die Grafen Grünne meist dort und nicht in Peigarten. Hingegen hatte Gräfin Maria Walewska, Napoleons große Liebe, die ihm auch nach Elba in die Verbannung folgte, als Kind in Peigarten Deutsch gelernt. Philipp-Ferdinands Sohn Karl Ludwig Graf Grünne machte bei Hof Karriere. Er wurde Feldmarschallleutnant und Vorstand der militärischen Zentralkanzlei. Als sein Sohn Philipp 1902 starb, wurde Peigarten auf 99 Jahre an Sandor Baum verpachtet, der im Schloss eine Teppichweberei betrieb. Seine Nichte, die Schriftstellerin Vicky Baum, verbrachte als Jugendliche hier mehrfach ihre Sommerferien. Wie sie in einem späteren Roman schrieb, war das Schloss zu diesem Zeitpunkt in keinem guten Zustand mehr. Sowohl der „Rittersaal“ als auch die uralte Kapelle dienten als Lagerräume für Garne, während in den oberen Stockwerken deren Verarbeitung zu Textilien erfolgte. 1917 verunglückte Philipp-Oswald Graf Grünne bei Trient mit seinem Flugzeug. Mit ihm starb der österreichische Zweig der Grafen Grünne aus. Das Schloss wurde 1920 neuerlich verpachtet und diente als Fabrik für handgewebte Frottierstoffe. Auch die Meierei wurde verpachtet. Dobersberg-Peigarten ging 1935 als Erbe an den ungarischen Grafen Friedrich Szapary. 1940 kaufte der Wiener Fabrikant Joseph Liebich das Schloss, das aber bald von der Deutschen Ansiedlungsgesellschaft übernommen wurde. Dies hatte 1945 zur Folge, dass es von der russischen Besatzungsmacht als Deutsches Eigentum beschlagnahmt und bis 1955 von der USIA verwaltet wurde. Danach gelangte es in bäuerlichen Besitz. 1962 wurden die zum Schloss gehörenden landwirtschaftlich genutzten Gründe weitgehend aufgeteilt (ca. 100 ha). 1978 erwarb Dr. Martin Wolfer den bereits stark verwahrlosten Bau. Es gab kein fließendes Wasser, keine sanitären Anlagen und keine Heizung. Gemeinsam mit seiner Gattin restaurierte und revitalisierte Dr. Wolfer das Schloss. Es dient noch heute als Sommersitz der Familie. Das Gebäude ist weitgehend als Schlossmuseum eingerichtet und zeigt die Wohnkultur des Adels im 19. Jahrhundert. Außerdem beherbergt es ein Heimatmuseum. Im Herrensaal finden häufig Konzerte statt.

Das Schloss liegt auf einer vom Taxenbach umspülten Felsnase am nordwestlichen Ortsrand. Es ist eine etwas unregelmäßige Vierflügelanlage, deren zwei- bis dreigeschossige Trakte einen trapezoiden Innenhof begrenzen. Der heutige Bau ist im Wesentlichen von den Umbauten des 16. und 17. Jahrhunderts geprägt, die die mittelalterliche Burg stark verändert haben. Aus dieser Zeit stammt auch die Fassade mit ihrem aufgeputzten Ortsteindekor. Geländebedingt sind Teile des Nordost-, Südost- und Nordwesttraktes erst im ersten Obergeschoß nutzbar. Ältester Bauteil ist der im Kern mittelalterliche Nordosttrakt. In seinem dritten Geschoß befindet sich die dem Hl. Johannes dem Täufer geweihte Schlosskapelle. Sie wird bereits 1331 mit einem eigenen Schlosskaplan erwähnt, wurde aber 1644, als Peigarten zum Stift Lilienfeld kam, neu gestaltet und 1789, als das Stift vorübergehend aufgelassen wurde, profaniert. Die Kapelle besteht aus zwei kreuzgratgewölbten Jochen, die durch einen spitzbogigen Schwibbogen getrennt sind. Der Altarraum im Osten ist querrechteckig. Der reiche Laub- und Bandlwerkstuck in der Wölbung und an den Fenstergewänden stammt aus der Zeit um 1720. Im quadratischen Westjoch erkennt man das ehemalige Herrschaftsoratorium. An einem Wandpfeiler ist ein spätgotisches quadratisches Sakramentshäuschen über einer Akanthuskonsole angebracht. Darüber prangt ein Doppelwappen des Stiftes Lilienfeld aus der Barockzeit. Seit 1978 wird der Raum wieder als Schlosskapelle verwendet. Bei Renovierungsarbeiten wurden 1987 romanische Fresken entdeckt und dann restauriert. Der Kapellenturm wurde erst 1979 nach dem Vischer-Stich von 1672 und einem im Schloss vorhandenen Stuckrelief rekonstruiert. Er ist vom achtspitzigen Kreuz des Ritterordens vom Hl. Lazarus gekrönt, zu dessen Mitgliedern der jetzige Schlossherr zählt.

Durch eine mit Stichkappen versehene tonnengewölbte Durchfahrt im Südosttrakt gelangt man in den Innenhof. Ursprünglich dürfte sich hier ein spätmittelalterlicher Torturm befunden haben. Im Zuge der Restaurierungsarbeiten konnten 1979 im zweiten und dritten Geschoß des Südwesttraktes vierbögige tonnengewölbte Arkaden freigelegt werden. An der Ostseite des Hofes haben sich im dritten Geschoß abgefaste spätgotische Rechteckfenster vom ehemaligen Schüttboden erhalten. Auf einem im Nordwesten des Schlosses gelegenen Felshügel, der den höchsten Bereich des Areals darstellt, steht ein massiver, spätmittelalterlicher, runder Bastionsturm. Allerdings ist er nur mehr im unteren Bereich originär, während der obere Teil mit den Zinnen und Rundbogenfenstern romantisierend gestaltet ist. Der Turm ist bereits auf dem Vischer-Stich als ruinös zu erkennen. Im Süden ist ein weiterer, halbrund vortretender Turm – der sog. Hungerturm – mit dem Schloss verbunden. Auch er kann dem späten Mittelalter zugeordnet werden, wie sein Bruchsteinmauerwerk zeigt. Die heute bestens gepflegten Innenräume wurden meist erst nach der Übernahme der Herrschaft durch das Stift Lilienfeld gestaltet. Sie zeigen reichen Bandelwerkstuck aus der Zeit nach 1700 sowie Tramdecken der Renaissance. Im großen durchgehenden Saal des zweiten Obergeschosses des Osttraktes standen zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Webmaschinen der Textilfabrik. Heute finden in ihm kulturelle Veranstaltungen statt. Ein Stuckmedaillon in einem barocken Salon des dritten Geschosses des Südtraktes zeigt neben Bandlwerkstuck das Aussehen des Schlosses im 18. Jahrhundert. Die Ölbilder der vier Jahreszeiten an der Decke des gleichen Raumes wurden erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingesetzt. Ein Abort im Westtrakt weist eine Holztüre im Stil des späten 16. Jahrhunderts auf. Im „Kerker“ schmachtet ein Plastik-Gerippe jüngeren Datums lautlos vor sich hin. Die zur Herrschaft gehörenden ehemaligen Wirtschaftsgebäude, wie der Stall mit seiner dreischiffigen, platzlgewölbten Pfeilerhalle und die Brauerei mit der Schwarzen Küche liegen etwas unterhalb des Schlosses. Der geschwungene Giebel der Brauerei wurde erst im 19. Jahrhundert aufgesetzt. Vor dem Tor steht eine Steinfigur des hl. Johannes Nepomuk aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Sie zeigt ein Doppelwappen des Stiftes Lilienfeld und des Abtes Dominikus Peckendorfer.

Lage: Niederösterreich/Waldviertel – ca. 8 km nördlich von Waidhofen/Thaya

Besichtigung: nach telefonischer Voranmeldung sind Führungen möglich

Homepage: www.schloss-peigarten.at


Weitere Literatur:


26.07.2011