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Orth an der Donau


Orth wurde 1021 erstmals erwähnt. Als König Heinrich II dem bayerischen Kloster Weihenstephan ein Stück Land im heutigen Marchfeld schenkte, diente es als Grenzbezeichnung des Grundstücks. Einige Jahre später gelangte es durch Tausch in den Besitz des Bistums Freising. Seit dem späteren 11. Jahrhundert war Orth Eigenbesitz des Bistums Regensburg, bei dem die Lehenshoheit bis zur Säkularisierung von 1803 bleiben sollte. Zur Herrschaft gehörte ein ausgedehnter Streubesitz, wie z. B. Schloss Grafenegg. Im Auftrag der Bischöfe verwalteten vorerst meist Vögte, aber auch hochfreie Herren das Land. Überliefert sind die Grafen von Bogen, Graf Gebhard von Sulzbach und von 1188 bis 1235 die Hochfreien von Lengenbach. Letztere zählten damals zu den mächtigsten Adelsgeschlechtern des Landes. Sie dürften die Bauherren der mittelalterlichen Anlage gewesen sein. Als letzter Domvogt starb 1245 Graf Chunrad von Plain-Hardegg. Um 1320 scheint als Lehensnehmer Chunrad von Ort auf. Er stammte aus der Familie der Schaunberger und nannte sich auch gelegentlich Conradus de Schaunberg de Ort. Durch Heirat war er zur Herrschaft Orth gekommen. Nach seinem 1353 erfolgten Tod blieb diese vorerst bei den Schaunbergern. Unter dem Druck des Landesfürsten verkaufte Konrads Neffe, Heinrich von Schaunberg, 1377 das Regensburgische Lehen an Herzog Leopold III aus der steirischen Linie des Hauses Habsburg. Die Habsburger bewirtschaften Orth nicht selbst, sondern gaben es als Afterlehen oder Pfand bis zur Zeit Josefs II weiter. In den Kämpfen zwischen Kaiser Friedrich III und den niederösterreichischen Ständen um die Vormundschaft des Ladislaus Posthumus gelang es den Aufständischen unter Ulrich von Eytzing 1452 die Burg Orth, die von 60 Mann verteidigt wurde, zu erstürmen, nachdem sie acht Tage lang belagert und mit Wurfmaschinen beschossen worden war. Die vom Kaiser unbezahlt gebliebenen Söldnerführer Pangracz von Liptau und Szent Miklos plünderten und verwüsteten von hier aus das Land im weiten Umkreis. Schließlich gelang es den Kaiserlichen die Räubertruppe zu zerschlagen. 69 ihrer Mitglieder wurden gehenkt, Pangracz konnte nach Ungarn entkommen.

Friedrich III übertrug die Herrschaft in einem Scheingeschäft an den Pfleger Gerhard Fronauer. Als dieser aber kurz danach im Kampf gegen den slowakischen Söldnerführer Ledwenko von Ruchenau fiel, wollte sein Bruder Gamareth Orth nicht mehr herausgeben. 1460 wurde die mit einem Tabor verstärkte Burg daher von kaiserlichen Truppen belagert, mit schwerem Geschütz beschossen und nach acht Wochen vom Burghauptmann übergeben. Angeblich führte nur Bestechung schließlich zum Erfolg. Aus dieser Zeit dürften einige in die Nordmauer eingelassene Steinkugeln stammen. 1487 war der Pfleger Nikolaus Prolowitz gezwungen, Burg und Herrschaft an Matthias Corvinus zu verkaufen. Der ungarische König starb aber bereits vier Jahre später, so dass Kaiser Friedrich III wieder die Herrschaft übernehmen konnte. Unter Kaiser Maximilian I wurde Niklas Graf Salm d. Ä. als Verwalter der Herrschaft eingesetzt. Kaiser Karl V schenkte sie ihm 1520 auf Lebenszeit, doch gelang es ihm 1523 das Lehen auf seine Nachkommen auszuweiten. Salm war ein alter Haudegen, der mehreren Kaisern als Heerführer gedient hatte. In der Schlacht von Pavia konnte er 1525 den französischen König Franz I gefangen nehmen. 1526 schlug er einen Aufstand der Tiroler Bauern nieder. Am bekanntesten ist aber seine Rolle als Oberbefehlshaber Wiens bei der ersten Türkenbelagerung Wiens von 1529. Er konnte zwar die Stadt erfolgreich verteidigen, seine Burg Orth fiel aber den vorrückenden Türken in die Hände, die sie verwüsteten und in Brand steckten. Bei der Verteidigung Wiens zog sich Niklas Graf Salm Verletzungen zu, denen er wenige Monate später erlag. Seiner Frau Elisabeth, die ihn um 20 Jahre überlebte, diente Orth als Witwensitz. Sein gleichnamiger Sohn begann nach 1530 mit dem Wiederaufbau der Burg.

Als dieser 1568 Orth an Barbara Beck von Leopoldsdorf, die Witwe des Hans von Zinzendorf, verkaufte, musste die umliegende Bevölkerung protestantisch werden, da die Zinzendorfer damals zu den führenden lutherischen Familien Niederösterreichs gehörten. Zwanzig Jahre später gab Hans Friedrich von Zinzendorf die Herrschaft im Tauschweg an den katholischen Hans Wilhelm von Schönkirchen ab. Damit war für die Dorfbewohner nach dem Prinzip „wie der Herr, so das G’scher“ ein neuerlicher Religionswechsel verbunden. 1603 waren mit Ferdinand von Concin sowohl Grundherr als auch Untertanen wieder protestantisch. Zu Beginn des 17. Jh. verheerte Stephan Bocskay mit seinen ungarischen Rebellen das Marchfeld. Bei einem Angriff auf Orth wurde der Burgherr und Lehensinhaber Alban Freiherr zu Graßwein so schwer verletzt, dass er bald darauf starb. Nach 1629 wurde Orth von den Habsburgern nicht mehr weiterverliehen sondern höchstens verpfändet. Der zweiten Frau von Kaiser Ferdinand II Eleonora von Gonzaga diente die Burg als Witwensitz. An sie erinnert der heute im Westtrakt des Neuschlosses eingemauerte „Eleonorenstein“, der mit 1629 und einem E bezeichnet ist. 1639 verpfändete der Kaiser die Herrschaft an den Generalwachtmeister Gill de Haas. Die nächsten Jahrzehnte brachten für die Burg und den Ort schwere Zeiten. Die ohnehin hoch verschuldete Herrschaft musste den Dreißigjährigen Krieg und den Türkeneinfall von 1683 über sich ergehen lassen. 1645 bzw. 1646 wurde die Burg von den Schweden unter General Torstensson zweimal kurzfristig besetzt und geplündert. 1661 erwarb der ungarische Hofkanzler Erzbischof Georg Szelepcsenyi die Herrschaft als Pfandbesitz. Während der zweiten Türkenbelagerung Wiens zog sich die umliegende Bevölkerung hinter die Burgmauern zurück. Orth konnte nicht eingenommen werden, erlitt aber beträchtliche Schäden. Erst als Theodor Althet Heinrich Graf Strattmann 1686 den bereits heruntergekommenen Besitz übernahm, kam es zu einem Um- und Ausbau des Schlosses. Er war Hofkanzler des Kaisers Leopold I. Unter seinen Nachkommen wurde das barocke dreiflügelige Neuschloss errichtet. Es sollte dem Hof als Absteigequartier für Jagdaufenthalte dienen. Unter den Grafen Strattmann wurde auch die schöne Mariensäule am Platz vor dem Schloss aufgestellt und die Pfarrkirche vergrößert.

1803 ging mit der Säkularisierung auch das bereits über 700 Jahre alte Regensburger Lehen zu Ende. Sebastian von Guldenstein erwarb die Herrschaft, verkaufte sie aber bald an den Bankier Moriz Graf Fries. Von 1818 bis 1821 diente das Schloss der Gräfin Carolina Lipona als Wohnung. Hinter diesem Pseudonym, das aus dem Wort Neapel gebildet war, verbarg sich die jüngste Schwester Napoleons und Ex-Königin von Neapel, die nach der Hinrichtung ihres Gemahls, des Marschalls Joachim Murat, hier im Exil lebte. Sie soll übrigens die mächtige Platane im Schlossgarten gepflanzt haben, die heute als Naturdenkmal bewundert wird. 1821 kaufte Graf Fries die Herrschaft wieder zurück. Als sein Bankhaus Konkurs anmelden musste, erwarb Kaiser Franz I aus seinem Privatvermögen die Herrschaft und brachte sie in den k. k. Familienfonds ein, der für die Versorgung der zahlreichen Mitglieder der Familie Habsburg gegründet worden war. Orth wurde zum Mittelpunkt der kaiserlichen landwirtschaftlichen Güter im Marchfeld. Kronprinz Rudolf ließ 1873 das Neuschloss im Stil des späten Historismus einrichten und benutzte es in erster Linie für seine Jagdausflüge, bis er 1887 Mayerling den Vorzug gab. Zu den prominentesten Jagdgästen der nächsten 35 Jahre zählten der englische Kronprinz Albert Eduard, der spätere König Edward VII und Kaiser Wilhelm II. Die Burg blieb bis 1918 beim kaiserlichen Familienfonds und wurde dann wie alle Besitzungen der Habsburger enteignet und dem Kriegsgeschädigtenfonds übergeben, der Orth als Wirtschaftshof an die Gemeinde Wien verpachtete. Da man sich über die Rechtssituation nicht einig war – immerhin handelte es sich ja um Privatvermögen – unterblieben größere Reparaturarbeiten für viele Jahrzehnte. Der Erhaltungszustand war schlecht, da das Altschloss unbewohnt war und vorwiegend als Schüttkasten diente. Zu diesem Zweck waren die meisten Fenster zugemauert oder verkleinert worden. Im Inneren wurden viele Zwischenmauern niedergerissen. Erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts kam es zu einer umfassenden Generalsanierung. Die Burg gehört heute der Republik Österreich. Hauptmieter des Altschlosses ist die Marktgemeinde Orth, die hier ein Heimatmuseum eingerichtet hat, nachdem sich schon im dritten Viertel des 20. Jahrhunderts ein Donau- und ein Fischereimuseum hier etabliert hatten. Außerdem dient es der Gemeinde als Veranstaltungszentrum. Untermieter ist die Nationalparkverwaltung Donauauen, die hier ihr Nationalparkzentrum eingerichtet hat.

Das Schloss liegt am Südende des Ortsangers bzw. am nördlichen Rand der Donauau. Es macht heute noch einen recht mittelalterlichen Eindruck. Die meisten wasserführenden Gräben und Wehrmauern, die die Burg und die dahinter liegende Kirche einst umgaben, sind zwar verschwunden, doch hat sich der 20 m breite Hauptgraben vor dem Schloss erhalten. Allerdings ist er heute trocken. Charakteristisch sind die vier, mit steilen Walmdächern gedeckten Ecktürme. Dennoch hat sich aus dem Mittelalter nahezu kein aufgehendes Mauerwerk erhalten. Die Burg wurde wohl im 12. Jahrhundert errichtet. Auf diese Zeit weisen aber nur Keramikfunde hin. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts kam es zu einem ersten Um- oder Neubau. Die Feste dürfte damals einen dreieckigen Grundriss gehabt haben, wobei der heutige Südostturm als Südspitze und Hauptbollwerk diente. Sie war vermutlich von einem Graben umgeben, der vom Fadenbach mit Wasser versorgt wurde. Um 1500 kam es zu einem weiteren Ausbau nach Westen hin. Dabei wurde der Nordwestturm in einer Mischtechnik aus Ziegeln und Bruchsteinen – vermutlich vorerst nur bis zur Höhe des ersten Stocks - erbaut. Der 30 m lange Westtrakt wurde als Hauptgebäude schlossartig ausgebaut. Vermutlich befand sich an seiner Stelle der etwa. 10 m breite mittelalterliche Palas. Darauf dürfte der mittelalterliche Quadersockel im Hof hindeuten. Im ersten Obergeschoß des Westtraktes wurden rundbogige Doppelfenster mit Sandsteingewänden eingesetzt. Der hier befindliche „getäfelte Saal“ hatte ursprünglich eine wappengeschmückte Holzdecke. Eine Türvertäfelung ist noch erhalten Die erste Blütezeit von Orth wurde 1529 durch den Türkeneinfall beendet. Die Rotfärbung von Mauerresten des späten 13. Jahrhunderts im Fundamentbereich des Osttraktes dürfte auf den damaligen Brand zurückgehen. Niklas Graf Salm d. J. gab dem Schloss seine heutige Gestalt. Diese entspricht dem Kastelltyp des 13. Jahrhunderts, der im 16. Jahrhundert wieder modern geworden war. Allerdings konnte man bereits moderne Baumaterialien wie Ziegeln und Terrakotta verwenden. Es entstand ein repräsentativer Frührenaissancebau. Orth ähnelte der damaligen Wiener Hofburg sehr stark. Im Zuge des Umbaues wurde der Westtrakt aufgestockt und auf gleiche Höhe mit dem erneuerten Nordtrakt gebracht. Die bisherigen Biforenfenster mussten vermauert werden, da das Gebäude eine neue Geschoßaufteilung erhielt, wodurch die Fenster zwischen zwei Geschoßen gelegen wären. Der Westtrakt wurde neu fassadiert und mit neuen Renaissance-Doppelfenstern ausgestattet.

An der Südseite des Nordwestturmes kann man in vermauerter Form zwei Fenster sowie eines am Nordtrakt sehen. Das aus Sandstein gearbeitete Biforenfenster des Nordwestturms ist aufwendig gestaltet und gut erhalten. Seine Säulen sind kanneliert und mit kleinen Volutenkapitellen versehen. Die Bogenzwickel sind mit Blattwerkdekor geschmückt. Der Turm erhielt damals seine heutige Höhe. Dendrochronologische Untersuchungen der Holzbalkendecke im obersten Geschoß ergaben, dass das verwendete Holz 1534 geschlagen wurde. Der achteckige Treppenturm mit seiner großzügigen steinernen Schneckenstiege in der Nordwestecke des Hofes dürfte aus der gleichen Zeit stammen. Die Decke des obersten Geschosses des Stiegenhauses zeigt ein schönes Sterngratgewölbe. Auch der Südwestturm wurde in den 30er-Jahren des 16. Jahrhunderts errichtet. In seinen oberen Geschossen haben sich mehrere trichterförmige Schießscharten für leichte Feuerwaffen erhalten. In seinem ersten Obergeschoß befindet sich ein Raum mit einem Netzgratgewölbe. Niklas Graf Salm d. J. ließ auch den spätmittelalterlichen Osttrakt erneuern. Ein zweiläufiges Treppenhaus mit einem Kreuzgratgewölbe führt in den ersten Stock. Einen besonders interessanten Raum findet man im anschließenden Nordostturm. Dessen Muldengewölbe ruht auf mehreren Terrakotta-Konsolen, die als Stier- und Widderschädel ausgebildet sind bzw. Granatäpfel zeigen. Der Kopf eines Satyrs ist ebenfalls zu erkennen, wie das Doppelwappen des Niklas Graf Salm d. J. und seiner Gattin Aemiliane von Eberstein. Da Niklas im Jahr 1540 seine zweite Frau ehelichte, muss die Raumausstattung vor diesem Datum erfolgt sein. Die Terrakottakonsolen dürften vom Hofmaler und –baumeister des Bistums Passau Wolf Huber geschaffen worden sein, da er ganz ähnliche Konsolen für Salms Schloss Neuburg am Inn kreierte. Als Rest der Innenausstattung des 16. Jahrhunderts ist im darüber liegenden Raum ein Kamin mit profilierten Konsolen zu sehen.

Bereits um 1550 begann eine neue Umbauphase. Aus dieser Zeit stammt ein Raum im Westtrakt, der heute im Dachbodenbereich liegt. Hier befinden sich zwei steinerne Renaissanceportale. Ihre aufwendige Dekorierung deutet darauf hin, dass hier ein Steinmetz aus der Lombardei tätig war. Auch ein geschnitztes Renaissance-Holzportal, das heute im Museum aufgestellt ist, aber einst im zweiten Obergeschoß des Westtraktes eingebaut war, wurde um 1550 angefertigt. Es wird durch kannelierte Säulen gegliedert und ist mit Intarsien versehen. Die letzten größeren Baumaßnahmen erfolgten im späten 17. Jahrhundert, als das Neuschloss im Westen errichtet wurde. Während das Altschloss bald unbewohnbar war, wird das Neuschloss bis in die Gegenwart bewohnt. Es vermittelte durch eine Durchfahrt auch den Zugang zum Altschloss, der heute an der Ostseite liegt. Das Neuschloss, das außen an den Westtrakt angebaut wurde und mit zwei verschieden langen Flügeln einen nach Süden offenen Hof begrenzt, ist nicht öffentlich zugänglich. Im 18. Jahrhundert wurde der bereits baufällige Südtrakt des Altschlosses abgetragen. Kurze Mauerreste sind an den beiden Südtürmen erhalten. An der Stelle des Südtraktes wurde eine hohe Mauer errichtet, die aber 1784 abgetragen wurde, so dass das Schloss nun einen U-förmigen Grundriss hat, der an drei Seiten von dreigeschossigen Flügeln begrenzt wird. Die vier 40 m hohen, viergeschossigen Ecktürme wurden im 19. Jahrhundert wie folgt bezeichnet: „Kanzleiturm“ (NW-Turm), Marktturm (NO-Turm), Archivturm (SO-Turm) und Uhrturm (SW-Turm). Am Vischer-Stich von 1672 ist der Südwestturm noch als Bergfried dargestellt und höher als die anderen Türme.

Lage: Niederösterreich/Marchfeld – ca. 12 km östlich von Groß-Enzersdorf

Besichtigung: Das Museum ist vom 21. März bis 1. November täglich von 09.00 bis 18.00 (Oktober bis 17.00) geöffnet.


Weitere Literatur:


25.06.2011