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Drösiedl


Um 1074 schenkte Kaiser Heinrich IV dem Markgrafen Ernst von Babenberg (dem Tapferen) ein größeres Gebiet um Raabs. Der dichte Urwald war allerdings kaum passierbar und musste erst gerodet werden. Von einem Ort oder einer Burg war noch lange keine Rede. Die erste urkundliche Erwähnung von Drösiedl erfolgte erst mehr als zwei Jahrhunderte später. 1283 wird festgehalten, dass Niclas von Drezzediles dem Abt Konrad von Altenburg ein halbes Benefizium in Zellerndorf verkaufte. Drei Jahre später veräußerte er auch die andere Hälfte an das Stift. Im 13. und 14. Jahrhundert kommen auch die Bezeichnungen „Drezzedeles“ und „Drezcedels“ vor. Der Name dürfte aus dem Slawischen stammen und darauf hindeuten, dass hier Holz be- oder verarbeitet wurde – eine Tätigkeit die charakteristisch für das damalige Waldviertel war. Niclas war offenbar ein Gefolgsmann des mächtigen Stephan von Maissau, der damals Marschall von Österreich war. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts teilten sich die Drösiedler in zwei Linien, doch hatte keine überregionale Bedeutung. Sie scheinen aber mehrfach in Urkunden auf, die lokale Grundverkäufe bezeugen. Als Vasallen der Herren von Maissau beteiligten sie sich auch an den Kämpfen gegen eingefallene böhmische und ungarische Truppen. Die Burg selbst wird erst 1369 erstmals erwähnt. 1395 verkaufte Wenzel II von Drösiedl seine Stammburg an die Brüder Rudolf und Ludwig von Tyrna. Aber bereits sieben Jahre später gaben die beiden Drösiedl dem Georg den Dresidler wieder zurück. Es war ein schlechtes Geschäft für sie, da sie deutlich weniger bezahlt bekamen, als ihr eigener Kaufpreis war. Als Georg von Drösiedl 1427 starb, hatte er keine männlichen Nachkommen. Seine Erbtochter Barbara heiratete um 1435 Johann I von Hofkirchen. 1439 war Drösiedl durch Janus von Leuchtenburg zu Vöttau erobert worden, doch konnte er und seine Truppe bald wieder vertrieben werden.

Die Hofkirchen dürften gegen Ende des 14. Jahrhunderts aus Bayern ins Waldviertel eingewandert sein. Sie sollten das für Drösiedl wichtigste Adelsgeschlecht werden. Auf sie geht ein Großteil der heutigen Bausubstanz zurück. Bereits 1411 hatte Jobst Hofkirchen die Herrschaft Kollmitz übernommen. Seine Familie wurde 1464 von Kaiser Friedrich III in den Freiherrenstand erhoben. 1590 gehörten zur Herrschaft Drösiedl 199 Häuser in 13 Orten. Die Freiherren von Hofkirchen waren meist militante Protestanten, die zur Zeit der Reformation alles unternommen hatten, um ihren Glauben auch bei ihren Untertanen zu verbreiten. Dazu gehörten die Einsetzung von lutherischen Praktikanten in den bisher katholischen Patronatskirchen und die Vertreibung katholischer Pfarrer. Sie waren auch Führer der protestantischen Landstände und versuchten beim Kaiser – allerdings mit nur mäßigem Erfolg – eine Änderung der kirchenpolitischen Verhältnisse zu ihren Gunsten durchzusetzen. Dies hinderte sie aber nicht daran, hohe Ämter am katholischen Kaiserhof zu erlangen oder militärische Karriere zu machen. So kommandierte Wilhelm II von Hofkirchen zwischen 1566 und 1569 die ständischen Truppen im Abwehrkampf gegen die Türken. Er brachte es bis zum Präsidenten des Hofkriegsrates und zum Feldmarschall. In Drösiedl machte er ab 1560 aus der spätgotischen Wasserburg ein wohnliches und weitgehend unbewehrtes Renaissance-Landschloss. Auf Grund schwerer Bauschäden musste die gesamte Südwestecke des Baues abgetragen und neu errichtet werden. Die Traufhöhen aller vier Trakte wurden aufgestockt und einander angeglichen. Um das zusätzliche Gewicht der Mauern bzw. den erhöhten Druck aufzufangen, mussten im Sockelbereich Anböschungen vorgenommen werden. Unter Wilhelm und seinen Söhnen entwickelte sich Drösiedl zum Mittelpunkt seiner Besitzungen im Waldviertel. Kollmitz trat in den Hintergrund, blieb aber Verwaltungszentrale.

Um die Wende des 16. zum 17. Jahrhundert gab es langwierige Streitigkeiten um Zehentrechte mit dem Stift Geras, die auch vor Gericht ausgetragen wurden. Sie konnten erst 1623 mit einem für die Herrschaft günstigen Gerichtsurteil beendet werden. Wilhelms Sohn Hans Adam Freiherr von Hofkirchen, der Drösiedl 1590 übernommen hatte, war ein Jahr später an der Ermordung seines Gutsnachbarn Niclas von Puchheim im Vorhof von Schloss Raabs beteiligt und musste danach schleunigst nach Böhmen fliehen. Sein Schloss wurde beschlagnahmt und vorerst von Pflegern verwaltet. Es gelangte aber 1596 wieder an seinen Bruder Wolfgang II. Obwohl ihm Kollmitz gehörte, ließ er den Ausbau von Drösiedl fortsetzen. Er wurde 1603 der Konspiration mit den protestantischen Feinden des Kaisers bezichtigt und saß fast ein Jahr in der Wiener Hofburg in Haft. Erst die Intervention des sächsischen Kurfürsten brachte ihm die Freiheit. 1609 wurde er rehabilitiert. Kurz vor der Schlacht am Weißen Berg war 1620 ein Trupp böhmischer Aufständischer in Drösiedl einquartiert. Als diese von kaiserlichen Soldaten unter Maximilian von Bayern vertrieben wurden, wurde das Dorf Drösiedl niedergebrannt, wobei auch der Dachstuhl des Schlosses schwer beschädigt wurde. Da Wolfgangs II Bruder Georg Andreas nach der Schlacht am Weißen Berg ins Ausland flüchten musste, übernahm seine Schwester Elisabeth von Strein von Schwarzenau den bereits schwer verschuldeten Familienbesitz. Mit dem Fortschreiten der Gegenreformation hatte Elisabeth von Strein wie auch die übrigen protestantischen Adeligen des Waldviertels kein leichtes Leben mehr. Ihre Herrschaft wurde zuerst wegen hoher Steuerschulden unter Zwangsverwaltung gestellt und schließlich enteignet.

1634 kaufte Oberstleutnant Christoph von Echtzell das Gut. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts wurden die Untertanen der Herrschaft Drösiedl durch Emigration oder Konversion wieder katholisch. Nächster Herrschaftsinhaber wurde Freiherr David Christian Haffner. Er ließ die Schäden des Dreißigjährigen Krieges wieder beheben und 1673 in unmittelbarer Nähe des Schlosses ein Spital (Altersheim bzw. Armenhaus) für seine Untertanen sowie eine Kapelle errichten. Beide Bauten hatten aber keinen langen Bestand. Als nach 1683 die Türkengefahr endgültig gebannt war, verzichtete man auch in Drösiedl auf sämtliche Verteidigungseinrichtungen. Im Vischer-Stich von 1672 sind noch die mit einem gedeckten Wehrgang versehenen Zwingermauern zu sehen. 1692 verkaufte David Ernst Freiherr von Haffner seine Herrschaft dem Stift Altenburg. Drösiedl wurde dadurch zu einem reinen Wirtschaftsgut ohne repräsentative Wohnfunktion. Neben der Landwirtschaft, die das Stift mit Getreide (vorwiegend Roggen und Hafer), Fleisch und Fischen versorgte, spielte im 18. Jahrhundert auch die Schlossbrauerei eine Rolle. Am Schloss fanden nur noch Erhaltungs-, aber keine Ausbauarbeiten mehr statt. Drösiedl hatte keine hohe Gerichtsbarkeit. Bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts befand sich das zuständige Landgericht auf der Burg Kollmitz. Nach dem Erwerb der Herrschaft durch das Stift Altenburg übernahm das Landgericht Wildberg dessen Aufgabe. Mit der Aufhebung der Grundherrschaft 1848 wurde Drösiedl für das Stift zunehmend uninteressant. Ab 1892 wurde das Gut verpachtet und dann 1939 an die Familie Hardt verkauft. Der Südtrakt des Schlosses wurde damals für Wohnzwecke neu adaptiert und mit Schablonenmalereien versehen. 1977 erbte Reinhard Hütter den Besitz, der die Gebäude schrittweise zu renovieren begann. Im Jahr 2000 kaufte Werner Zlabinger das Schloss. In den letzten zehn Jahren wurde dieses vorbildlich restauriert, wobei allein 5.000 m² Dachfläche neu gedeckt werden musste.

Schloß Drösiedl ist ein dreigeschossiger Vierflügelbau, der von einem Grabensystem umgeben ist. Im Norden und Osten weisen die dem Schloss benachbarten Teiche darauf hin, dass Drösiedl einst komplett von Wasser umgeben war. Im Süden ist dem Hauptschloss ein großer Meierhof vorgelagert. Seine drei Flügel umschließen einen geräumigen Wirtschaftshof, in dessen Mitte sich ein Brunnenbecken befindet. Das darauf befindliche Wappen der Familie Echtzell, weist darauf hin, dass er aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammt. Das Zentrum der Hauptfront des Meierhofes wird durch einen viereckigen Glocken- bzw. Uhrturm betont. Hinter ihm erhebt sich ein mächtiger dreigeschossiger Schüttkasten aus dem 18. Jahrhundert. Das Areal des Meierhofes ist durch eine mit Zierzinnen versehen Mauer vom Wohnschloss getrennt. Sie ist mit Vasen und Büsten römischer Kaiser geschmückt. In ihrer Mitte liegt das mit einem schönen Schmiedeeisengitter versehene Hoftor. Eine gemauerte Bogenbrücke führt über den mit Bruchsteinen ausgemauerten ehemaligen Wassergraben zum siebenachsigen Hauptgebäude. Wie man an den noch vorhandenen Rollenschlitzen des Portals erkennen kann, befand sich an ihrer Stelle einst eine Zugbrücke. Die Fassaden des Schlosses sind glatt und weitgehend schmucklos. Lediglich die Gebäudekanten werden durch eine aufgeputzte Eckrustizierung hervorgehoben. Im westlichen Teil der Südfront ist eine große Sonnenuhr mit der Jahreszahl 1578 aufgemalt. Über den Fenstern sind, auf kleinen Konsolen ruhende, gerade Verdachungen angebracht. Ein Rundbogenportal in rechteckiger Umrahmung führt durch die kreuzgewölbte Einfahrt in den prächtigen quadratischen Innenhof. Die über dem Tor angebrachte Jahreszahl 1616 weist auf das Datum der Fertigstellung des Neubaues hin. Dieser ist an der Stelle der alten Burg erfolgt, denn im Kellergeschoß ist an allen Trakten mittelalterliches Mauerwerk in den Außenmauern nachweisbar. Im Osttrakt stammt es noch aus der Bauzeit um 1283. Der mittelalterliche Palas dürfte sich an der Stelle des heutigen Nordtraktes befunden haben. Im 14. Jahrhundert wurde auch im Süden ein Wohnbau errichtet. Durch die leichte Schrägstellung des Südtraktes, ist der Hof etwas unregelmäßig. Sein Boden wurde im 16. Jahrhundert deutlich angehoben. Um 1500/1520 fand ein spätgotischer Ausbau statt. Aus dieser Zeit haben sich im Innenhof mittelalterliche Portal- und Fenstergewände erhalten. Die Nord- und Südseite des Hofes ist jeweils als dreigeschossige Arkadengalerie ausgebildet, wobei im Erdgeschoß stämmige Pfeiler und in den beiden Obergeschossen toskanische Säulen die Bögen tragen. Die Säulen des obersten Geschosses sind deutlich schlanker als jene im ersten Stock. Die Anzahl der Bögen ist in allen Etagen, die durch Balusterreihen getrennt sind, gleich (5). Die Arkaden des Südtraktes weisen Kreuzgewölbe auf, wobei alternierend Löwenköpfe und Rosetten als Schlusssteine dienen. Am Nordtrakt sind die Gewölbefelder mit zarten Stuckbändern verziert.

Die ältesten Baudetails des Schlosses befinden sich im Westtrakt, der im Kern noch von der alten Wasserburg stammt. So gibt es hier neben verschiedenen Türbeschlägen auch eine schmale Wendeltreppe aus der Spätgotik. Diverse Deckengestaltungen, wie Stichkappengewölbe sowie Zellen- und sternförmige Stuckgratgewölbe gehen auf die Bauzeit des neuen Schlosses zurück. Eine besondere Sehenswürdigkeit von Drösiedl ist ein mit Fresken aus der Zeit um 1565/70 reich geschmückter, nahezu quadratischer Raum im ersten Obergeschoß des Westtraktes. Die Malereien bedecken das Zellengewölbe völlig und erstrecken sich auch auf einen Teil der Wände. Sie waren übertüncht und wurden erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts aufgedeckt. Leider wurden sie vorerst nicht fachmännisch restauriert, sondern in Eigenregie abgeschabt, was schwere Schäden verursachte. Neben profanen und biblischen Motiven, wie der versuchten Opferung Isaaks ist hier auch ein Allianzwappen des Wilhelm I von Hofkirchen und seiner Gattin Eva Pögl zu Reifenstein zu sehen. Die rautenförmigen Mittelfelder des Gewölbes zeigen die Symbole der vier Evangelisten (Löwe, Mensch, Stier, Adler). In den Gewölbezwickeln sind verschiedene Köpfe in Rundmedaillons abgebildet. Die übrigen Felder sind mit Arabeskenmalereien geschmückt. Man erkennt auch einige Tulpen, die wohl zu den frühesten Abbildungen dieser Blume in Österreich zählen dürften. Obwohl dieses Zimmer nicht besonders groß ist, dürfte es in erster Linie der Repräsentation gedient haben. Aus der Barockzeit haben sich im Schloss zahlreiche Türen (1. Hälfte des 18. Jh.) mit den originalen Beschlägen erhalten. Die Renaissance-Stuckarbeiten sind nicht besonders elegant. Sie stammen von lokalen Maurermeistern, die häufig nach Musterbüchern von Sebastiano Serlio vorgefertigte Stuckelemente einsetzten. Auf italienische Stukkateure wurde offenbar aus Kostengründen verzichtet. Qualitätvoller sind die feinen Stuckornamente im großen Saal des zweiten Stocks des Südtraktes aus der Zeit um 1750.

Die erste Schlosskapelle war ein selbständiger Bau außerhalb des Schlosses. Sie war dem Hl. Georg geweiht und wurde 1437 urkundlich erstmals erwähnt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde sie abgebrochen. Die heutige Schlosskapelle liegt rechts von der Einfahrt. Sie war während der Gegenreformation von Wolf Ehrenreich von Strein und seiner Gattin Eva, der Erbin Wilhelms von Hofkirchen, als protestantische Schlosskirche eingerichtet und ihren protestantischen Untertanen zugänglich gemacht worden. Ihre Lage ist von außen nicht erkennbar, da sie keine Apsis und keine großen Kirchenfenster hat. Die Innenausstattung stammt vorwiegend aus dem 18. Jahrhundert. Das flache Tonnengewölbe der Kapelle ist mit ornamentierten Stuckbändern geschmückt, die die Decke in einzelne Felder unterteilen. Diese werden durch kleine farbige Stuckreliefs betont. Eines zeigt die Lutherrose, was darauf hinweist, dass die Kapelle für protestantische Gottesdienste diente. Anderseits findet man auch den kaiserlichen Doppeladler, der die Treue der protestantischen Familie zum kaiserlichen Hof symbolisiert. Dieses Doppelmotiv ist auch am stuckierten Deckenspiegel der Einfahrtshalle zu erkennen. Über dem Altar hängt ein großes Gemälde in einem kunstvollen Akanthusrahmen. Ob darauf der Hl. Benedikt und die Hl. Scholastika dargestellt sind, wie man bis vor kurzem glaubte, oder ob es die Hl. Gertrud von Helfta und der Hl. Robert von Molesme sind, wie es die neuere Forschung vermutet, ist ungewiss. Das Gemälde dürfte sich früher in Stift Altenburg befunden haben. Während das Erdgeschoß und der erste Stock Wohn- und Wirtschaftsräume enthielten und daher stets bewohnt wurden und gut erhalten sind, wurde das zweite Obergeschoß im Ersten Weltkrieg schwer verwüstet. Hier waren italienische Kriegsgefangene untergebracht. Aus Mangel an Heizmaterial hatten diese im schweren Winter von 1917/18 sogar Teile der Balkendecken abgetragen und verheizt. In den 50er Jahren wurde dieses Geschoß als Trockenraum für Tabak verwendet, den man auf den Schlossgründen versuchsweise anpflanzte. Es ist unmöbliert und noch nicht restauriert, da man noch keine Verwendung für die Räumlichkeiten gefunden hat. Wie dendrochronologische Untersuchungen zeigten, stammt der darüber liegende Dachstuhl aus der Zeit um 1652.

Lage: Niederösterreich/Waldviertel – Das Schloss liegt östlich von Groß-Siegharts im nördlichen Bereich des Ortes Drösiedl.

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


25.01.2011