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Totzenbach


Normalerweise ist es das Schicksal vieler Schlösser, dass sie auf Grund mangelnder Pflege irgendwann zu Ruinen werden. Totzenbach ist ein Beweis dafür, dass es auch den umgekehrten Weg gibt. Gelegentlich werden auch aus Ruinen wieder Schlösser. Es gab zwei Familien, die sich nach Totzenbach nannten. Die ältere mit dem Personennamen Winther trat im Gefolge der Ollersbacher und Hagenauer auf. Ein Winther wird 1110 als Zeuge urkundlich genannt. 1228 verkaufte ein Winther von Totzenbach Güter bei Weikersdorf im Steinfeld, doch wohnte das Geschlecht schon lange nicht mehr in Totzenbach, da bereits 1147 eine neue Familie, die sich auch nach dem Ort nannte, bezeugt ist. Sie kam aus Gleiss bei Waidhofen/Ybbs. In Ulrich von Liechtensteins Werk „Frauendienst“ verwendet Otto V von Lengenbach immer wieder den turniererfahrenen Ritter Gotfried von Totzenbach als Boten. Er war erster Turniergegner der Frau Venus in Korneuburg und ebenfalls Minnesänger. Hans von Totzenbach (1335 – 1385) ließ die Pfarre Totzenbach errichten und dotierte sie reichlich. Nach dem Tod des letzten Totzenbachers 1394 fiel die Herrschaft an die Polheimer, danach wechselten die Eigentümer recht häufig. Um 1513 kam die Burg an David von Trauttmansdorff. In der Zeit der Türkeneinfälle diente sie als Zufluchtsort für die Bevölkerung, blieb aber sowohl 1529 als auch 1683 von Angriffen verschont. 1588/89 ließ Job Hartmann von Trauttmansdorff rund um die alte Burg ein Renaissanceschloss errichten. Er spielte in den Türkenkriegen eine militärische Rolle, fiel jedoch 1596 beim Sturm auf die Veste Hatvan in Ungarn. Der bekannteste Schlossherr von Totzenbach war Maximilian Graf von Trauttmansdorff. Er setzte als Diplomat 1619 die Krönung Ferdinands II zum Deutschen Kaiser durch. Er war einer der ersten, der das Doppelspiel Wallensteins durchschaute, leitete im kaiserlichen Auftrag die Untersuchungen gegen den Generalissimus und war maßgeblich am Zustandekommen des Westfälischen Friedens beteiligt, der 1648 den Dreißigjährigen Krieg beendete. Wie einem Vischer-Stich zu entnehmen ist, war Totzenbach damals ein stattliches Schloss. Es wurde jedoch von den Trauttmansdorff kaum bewohnt. Die Rechte und Pflichten der Herrschaft wurden von Verwaltern wahrgenommen.

1822 ging das Schloss an die Fürsten Liechtenstein auf Neulengbach über. Diese hatten kaum eine Verwendung für den Bau. Er diente bald nur mehr dem Förster und dem Dorfschulmeister als Wohnung und verfiel immer mehr. 1857 wurde der Osttrakt abgerissen. Die Steine wurden zum Teil für den Bau des Bahnhofes Kirchstetten verwendet. Nach der Errichtung einer neuen Dorfschule erfolgte 1894/95 der Abbruch des Südtraktes, der zuvor als Schule diente. 1971 kaufte die Gemeinde Totzenbach die nunmehrige Schlossruine und verkaufte sie drei Jahre später an den Antiquitätenhändler Josef Figl. Der Zustand der Gebäude war damals so desolat, dass die Gemeinde bereits die Sprengung der Ruine erwogen hatte. Figl ließ den Burggraben ausbaggern und baute in vierjähriger Arbeit das Schloss wieder auf. 2002 kaufte die Familie Ruschitzka die Anlage. Seit 2003 gehört Totzenbach der Familie Berger. Das Schloss ist bewohnt, der Festsaal kann für private Veranstaltungen gemietet werden.

Das Schlossareal ist von einem Teich und einem Wassergraben umgeben. Über eine einfache, auf Steinsäulen ruhende Holzbrücke gelangt man zu einem breitgelagerten Torturm, der mit einem steilen Walmdach gedeckt ist. Der große Innenhof wird von einer relativ niedrigen Wehrmauer umfasst. Sie ist durch einen, in das Wasser vorspringenden Rundturm mit Kegeldach verstärkt. Inmitten des Hofes stand die mittelalterliche Burg, doch wurde sie irgendwann nach 1672 abgerissen. In trockenen Sommern zeichnen sich die Grundmauern in der Rasendecke des Schlosshofes noch deutlich ab. Da auch von den späteren Bauten nur mehr der Nord- und der Westtrakt erhalten sind, wirkt der Hof besonders geräumig. Der schlichte Nordtrakt ist der jüngste Teil des Schlosses. Er ersetzte vor 1836 den Hauptturm und zwei Wohntrakte. Die der Spitzhacke entronnenen und vorbildlich restaurierten Gebäude sind weiß gestrichen und machen einen bestens gepflegten Eindruck.

Lage: Niederösterreich/St.Pölten-Land - mitten im nördlich der Westbahn gelegenen Ortsteil Totzenbach der Marktgemeinde Kirchstetten

Ort/Adresse: 3071 Böheimkirchen

Besichtigung: nur von außen möglich

Sonstiges: Gelegentlich finden im Schlosshof sowie im Festsaal und im Keller kulturelle Veranstaltungen statt.


Weitere Literatur:


29.10.2002