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Palais Rasumofsky


In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verlief im Bereich des heutigen Donaukanals ein unregulierter Nebenarm der Donau. Sein Augebiet reichte bis zur heutigen Landstraßer Hauptstraße. Das einzige größere Gebäude, das sich darin befand, war der noch aus der Babenbergerzeit stammende Rüdenhof, in dem neben Jägern und Jagdknechten vor allem bis zu 400 Jagdhunde lebten. Der Legende nach soll hier 1192 König Richard Löwenherz erkannt und gefangen genommen worden sein. Erst 1740, als der Kaiserhof für den Rüdenhof keine Verwendung mehr hatte, wurde das gesamte Areal parzelliert und verkauft. Es entstanden große Parkanlagen und stattliche Sommerschlösser. Eines der schönsten gehörte dem damals berühmten Magnetopathen Dr. Franz Anton Mesmer. Als dieser von seinen Ärztekollegen stark angefeindet wurde und nach Paris emigrierte, verkaufte er die ihm gehörenden Grundstücke dem russischen Grafen Andrej Kyrillowitsch Rasumofsky. Dieser hatte, als er nach Wien kam, bereits ein aufregendes Leben hinter sich. In der Seeschlacht von Tschesme hatte er sich als Marineoffizier im Kampf gegen die Türken ausgezeichnet. 1776 wurde er von der Zarin Katharina wegen einer angeblichen Liebschaft mit ihrer Schwiegertochter und Gattin des späteren Zaren Paul aus St. Petersburg verbannt. Aber schon im nächsten Jahr wurde er russischer Gesandter in Neapel. 1785 wurde er mit dem gleichen Amt in Kopenhagen und 1786 in Stockholm betraut. 1788 heiratete er in Wien Elisabeth Gräfin von Thun. Von 1792 bis 1807 war er russischer Gesandter am Wiener Kaiserhof. Als Zar Alexander I mit Napoleon kooperierte, kündigte er – als erbitterter Gegner Napoleons - seinen Botschafterposten, blieb aber in Wien. Napoleon verlangte 1810 von Kaiser Franz I seine Ausweisung, was dieser aber ablehnte. 1814 war er russischer Chefverhandler beim Wiener Kongress. Durch mehrere Zukäufe reichte sein Besitz schließlich von der Landstraße bis zum Donaukanal. Der Gartenarchitekt Konrad Rosenthal wandelte die Liegenschaft in einen weitläufigen englischen Park um. In den Jahren zwischen 1803 und 1807 ließ Rasumofsky am höchsten Punkt des Parks, nach Plänen des Hofarchitekten Louis de Montoyer durch den Baumeister Josef Meissl, eine seinen Repräsentationsansprüchen entsprechende Residenz im Palladio-Stil errichten.

Der Graf war außergewöhnlich reich. Sein Vater Kyrill war als Günstling der Zarin Elisabeth zu immensen Reichtum gekommen. Angeblich war diese in einer heimlichen Ehe mit Andrejs Onkel Alexej verheiratet. Kyrill war Hetman der Ukraine. Sein Vermögen wurde auf 17 Mio Rubel geschätzt. Er galt als einer der größten Grundherren Russlands. Andrej erbte 1803 einen Großteil dieses Vermögen. Neben riesigen Gütern in der Ukraine besaß er Textil- und Kerzenfabriken, sowie große Schnapsbrennereien. Der unerhörte Luxus der Ausstattung seines neuen Palais war bald Tagesgespräch von Wien. Sogar die „geheimen Gemächern“, wie man damals die WC-Anlagen vornehm umschrieb, waren mit Silbergeräten, Wohlgerüche ausstrahlenden Blasbälgen und einer kleinen Bibliothek ausgestattet. Seine Ballveranstaltungen waren legendär. Sie dauerten stets bis zum Mittag des nächsten Tages. Am Jahrestag der Schlacht von Leipzig gab er in seiner neuen Reitschule ein großes Fest, an dem neben den hohen Offizieren des zuvor abgehaltenen Manövers auch die in Wien versammelten Adeligen und Politiker teilnahmen. Die Soldaten und Offiziere niederer Ränge wurden im Prater verköstigt. Während des Wiener Kongresses spielte Rasumofsky für die Ziele Russlands eine wichtige Rolle. Wenn der russische Zar Alexander I, der damals in Wien weilte, ein prächtiges Fest gab, so fand dieses jeweils im Palais seines Botschafters statt. Rasumofsky war ein großzügiger Förderer Beethovens. Als Dank leitete dieser die Uraufführung seiner Fünften Symphonie, die er Rasumofsky gewidmet hatte, im Weißen Saal des Palais. Die Glanzperiode des Hauses dauerte aber nur kurz, denn in der Sylvesternacht 1814 vernichtete ein Brand, der nach einem Fest durch die überhitzte Heißluftheizung ausbrach, große Teile des Gebäudes mit vielen Kunstschätzen, darunter Werke von Bellini, Raffael, van Dyck und Rubens. Von den rund 7.000 Büchern der Bibliothek konnten nur wenige gerettet werden. Den Brand überstanden nur die Außenmauern und einige Hauptmauern des Hauptgebäudes sowie die Reitschule.

Trotz der immensen Verluste zeigte Rasumofsky Contenance und absolvierte noch am gleichen Tag einen geplanten Besuch bei Talleyrand. Am Abend erschien er äußerlich unbeeindruckt auf einem Ball der Gräfin Zichy. Der russische Zar Alexander I lieh seinem Botschafter 150.000 Dukaten zum Wiederaufbau des Palais. Dieser erfolgte aber deutlich bescheidener als der seinerzeitige Neubau. So wurden die Säulen meist nicht mehr in Marmor sondern lediglich in stucco lustro erneuert. Edelholz-Einlegearbeiten wurden durch aufgemalte Ornamente ersetzt. Der völlig zerstörte Gartentrakt wurde nur mehr stark vereinfacht durch den Baumeister Joseph Meissl wieder errichtet. 1815 wurde Rasumofsky in den russischen Fürstenstand erhoben. 1816 heiratete er die Gräfin Constantine Thürheim. Seine erste Gattin war bereits 1806 verstorben. Die Rekonstruktion seines Palais und die Rückzahlung des Kredites an den Zaren sowie sein nach wie vor aufwändiger Lebenswandel brachten ihn in finanzielle Schwierigkeiten. Dazu kam, dass etliche seine Herrschaften in Russland schlecht verwaltet wurden, so dass er einige davon verkaufen musste. 1822 schloss Andreas Fürst Rasumofsky, wie er in Wien genannt wurde, sein Palais und ging auf Reisen. Seine letzten Jahre verbrachte er in Schwertberg auf dem Gut seines Schwagers. Er starb 1836 im Alter von 83 Jahren und wurde im Familienmausoleum der Grafen Thürheim in Schwertberg beigesetzt. Seine Witwe wollte zuerst das Palais durch eine der damals sehr beliebten Lotterien ausspielen lassen, verkaufte es aber Ende 1837 an Fürst Alois Josef von Liechtenstein um 190.000 Gulden und eine jährliche Leibrente von 12.000 Gulden. Sie zog nach Schwertberg und erbaute dort das Schloss Friedegg als Witwensitz, wo sie schließlich in geistiger Umnachtung starb. Die noch vorhandenen Kunstwerke Rasumofskys, darunter mehrere Werke von Angelika Kaufmann sowie Rubens und Rembrandt wurden 1838 versteigert. Auch Fürst Liechtenstein war ein großer Förderer der Kunst. Er hatte das Palais aber nur als vorübergehendes Logis, bis zur Fertigstellung der Umbauten an seinem Wiener Stadtpalais erworben. Danach vermietete er es dem österreichischen Staat. Als 1848 kroatische Truppen bei der Niederschlagung der Wiener Revolution die Sophienbrücke stürmten, wurde auch das Palais durch Einschüsse in Mitleidenschaft gezogen. Seit 1851 war im Gebäude die k. k. Geologische Reichsanstalt untergebracht. Nachdem das Palais 1873 vom Staat um 640.000 Gulden angekauft worden war, kam es 1877 zu größeren Umgestaltungen durch das Architekturbüro Machytka. Damals wurde an der Front zur Rasumofskygasse ein Halbstock eingebaut. Im Zweiten Weltkrieg erlitt das Palais zwei Artillerietreffer sowie Bombenschäden. Dabei wurden neun Räume zerstört, die vor allem im westlichen Teil des Haupttraktes und im Gartentrakt lagen. 1946/48 erfolgte der Wiederaufbau und in den Jahren 1966/67 die Innenrestaurierung des Palais. 1998 wurden die Straßenfassaden renoviert. 2005 bezog die Geologische Bundesanstalt einen Neubau in der Neulinggasse. Das Palais wurde an einen privaten Eigentümer verkauft und harrt noch immer seiner neuen Verwendung. In Wien leben noch mehrere Nachkommen der Familie Rasumofsky, doch stammen diese von Andrejs Bruder Gregor ab, der ein bedeutender Geologe seiner Zeit war.

Das Palais Rasumofsky zählt zu den Hauptwerken des Wiener Klassizismus. Es besteht aus dem rechteckigen Hauptgebäude und dem rechtwinkelig anschließenden Gartentrakt. Seine ursprüngliche Höhenwirkung ist durch die spätere Verbauung der Nachbarschaft und durch Aufschüttungen der unmittelbaren Umgebung verloren gegangen. Die lange Fassade zur heutigen Rasumofskygasse, der einstigen Rauchfangkehrergasse, hat einen leicht vorspringenden, dreiachsigen Mittelrisalit, der durch vier ionische Riesenpilaster gegliedert wird. Ihre Kapitele sind mit schweren Blattgehängen verziert. Ansonsten erfolgt die Gliederung der Außenwände rasterartig durch einfache Lisenen und Kordongesimse. Als 1877 ein Halbstock eingefügt wurde, um mehr Büroraum zu schaffen, hat man die auch an den übrigen Fassaden vorhandenen vertieften Blendfelder an der Rasumofskygasse zu Fenstern geöffnet. Vor der Fassade erstreckte sich ursprünglich eine große Terrasse, die aber später dem Straßenbau zum Opfer fiel. Die Front zur Geusaugasse wirkt durch den von vier hohen Säulen getragenen, dreiachsigen Giebelvorbau besonders monumental. Im Giebelfeld erkennt man eine allegorische Figurengruppe, die sich um das (heute nicht mehr vorhandene) Rasumofsky-Wappen schart. Wie die noch vorhandenen Baupläne zeigen, sollte zum Säulenvorbau eine repräsentative Freitreppe emporführen, wodurch die isolierte Hügellage des Palais betont worden wäre. Diese Treppe wurde aber nie ausgeführt. Tatsächlich haben die massiven Aufschüttungen des Straßenniveaus nach der Parzellierung dazu geführt, dass die hier liegenden Erdgeschoß- und Souterrainräume zu Kellerräumen geworden sind. Das Zentrum des Gartentraktes wird durch einen fünfachsigen Säulenvorbau belebt. Hier stützen sechs massive Säulen das Gebälk. Vom Portikus der Gartenfront führt eine kurze Freitreppe in den Garten hinunter. Das Dach überragt nur wenig das Gebäude und ist weitgehend durch die umlaufende Attikabalustrade verdeckt. Es war ursprünglich mit Kupfer gedeckt, doch musste dieses im Ersten Weltkrieg als kriegswichtiges Metall abgeliefert und durch Dachziegel ersetzt werden.

Das Innere ist in der Art eines „maison de plaisance“, also eines französischen Gartenpalais des 18. Jahrhunderts gegliedert. In einer Achse liegen Vestibül, Kuppelsaal und Festsaal. Durch das schlichte rechteckige Portal in der Rasumofskygasse gelangt man in das dreischiffige Vestibül, eine der Antike nachempfundenen dorischen Säulenhalle. Die kassettierte Decke wird von vier freistehenden und zwölf dorischen Halb- und Viertelsäulen getragen. Eine breite Treppe führt zu den Repräsentationsräumen hinauf. Man kommt zuerst in den zentralen Kuppelsaal, dessen Wände durch acht kannelierte korinthische Pilaster unterteilt sind. Die dazwischen liegenden Felder sind mit Rundbogennischen bzw. Türen ausgestattet. Oberhalb der Nischen befinden sich rechteckige Reliefs mit mythologischen Darstellungen. Die kassettierte Kuppel ist vom übrigen Raum durch ein reich stuckiertes, von zierlichen Konsolen gestütztes Gesims abgesetzt. Die Pilaster setzen sich in Form von Gurten in die Kuppel hinauf fort, wodurch trapezartige Felder entstehen, die mit Stuckornamenten verziert sind. Die hier befindlichen acht großen ovalen Fenster stellen die einzige natürliche Beleuchtung des Saales dar. Der an den Kuppelsaal anschließende zweigeschossige Festsaal liegt in der Mittelachse des Gebäudes. In der Längsachse ist er das Zentrum einer Enfilade mit prunkvoll ausgestatteten Nebenräumen. Er öffnet sich zum Garten hin in fünf großen rundbogigen Türen. Montoyer wiederholte hier das Schema des ebenfalls von ihm gestalteten Zeremoniensaales in der Wiener Hofburg. Sechzehn 8-m hohe, korinthische Säulen stehen frei vor den Wänden auf schwarzen Sockeln. Die Säulen bestanden ursprünglich aus gelbem Marmor, wurden aber nach dem Brand durch solche aus Stuckmarmor ersetzt. Sie tragen das umlaufende Gebälk wie einen Baldachin. Darunter schmücken Reliefs mit Szenen aus der griechischen Mythologie die Wände. Sie stammen vermutlich von Franz Christian Thaler. Der Saal ist vorwiegend in beige und weiß gehalten. Fünf prächtige Empire-Luster aus geschnitztem und vergoldetem Lindenholz hängen von der Decke.

Die übrigen Repräsentationsräume liegen zu beiden Seiten des Festsaales und sind durch große Spiegeltüren von diesem aus zugänglich. Sie sind ebenfalls im Empirestil gehalten. Vergoldete Holzleisten teilen die Wände in rechteckige Felder. Auch bei ihrer Ausstattung wurde reichlich Stuckmarmor und Spiegelglas verwendet. Die Decken sind mit Grisaillemalereien geschmückt. Jene im rechten Marmorsaal wurden 1967 stark erneuert. Bemerkenswert sind die zum Teil reich eingelegten Parkettböden in den anderen Repräsentationsräumen. Die Säle im Westtrakt wurden nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr originalgetreu rekonstruiert. Sie dienten der Geologischen Bundesanstalt als Arbeitszimmer und Labors. Die Wohnräume des Fürsten befanden sich im Erd- sowie im Obergeschoß. Sie wurden schon im 19. Jahrhundert in Büros umgewandelt. Im Obergeschoß haben sich aber noch einige historische Räume erhalten. Interessant ist ein Zimmer mit einem umlaufenden Fries, der in Grisailletechnik mythologische Szenen zeigt. Er wurde später als Direktionsraum benützt. Unmittelbar links vom Vestibül befand sich das Arbeitszimmer der Fürsten. Es ist ein niedriger Raum, der mit Holz vertäfelt ist. Die aufgemalten Palmetten der Holzsäulen sind in weiß und grau gehalten. Im Hochparterre ist der vertäfelte Bibliotheksraum bemerkenswert. Seine Wandschränke sind noch original. Im heutigen Souterrain befindet sich eine Trinkstube mit reicher malerischer Ausstattung des Gewölbes. Der Garten- bzw. Bibliothekstrakt besteht aus einem Haupt- und einem Dachgeschoß. Nach seinen Zerstörungen wurde er nur stark vereinfacht wieder aufgebaut. Seine ursprüngliche Fassadengliederung ist nur noch an der Gartenseite zu sehen. Im Weißen oder Beethoven-Saal, der sich hier befindet, fanden unter der Leitung des Komponisten die Uraufführungen der Rasumofsky-Quartette statt, soweit sie nicht im Festsaal abgehalten wurden. An den Gartentrakt grenzte im rechten Winkel die erst 1814 vollendete Reitschule, die nicht nur den Pferden und ihren Reitern sondern gelegentlich auch den Gästen als riesiger Tanzsaal zur Verfügung stand. Gegenüber dem Palais liegen in der Rasumofskygasse die ehemaligen Stallungen. Sie wurden mit dem Hauptgebäude 1803 bis 1807 errichtet, aber bereits 1848 bis 1854 um drei Geschosse aufgestockt und als Zinshaus adaptiert. Der Park hatte ursprünglich eine Fläche von 22.497 Wiener Quadratklafter. In ihm befanden sich ein Freilufttheater sowie ein dreieckiger Turm. Das Parkgelände ist längst parzelliert und bis auf einen bescheidenen Garten verschwunden.

Ort/Adresse: 1030 Wien, Rasumofskygasse 23 - 25

Besichtigung: derzeit nur von außen möglich


Weitere Literatur:


14.04.2010