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Fridau (Obergrafendorf)


Das „Haus zu Fridau“, wie die damalige Burg im Mittelalter meist genannt wurde, ist relativ spät entstanden. Es wird 1299 erstmals urkundlich erwähnt. Damals befand es sich im Besitz des Dietrich von Weißenberg aus Weißenburg an der Pielach. Die Weißenburger waren Lehensnehmer des Klosters Melk und Bauherren der ersten Burg. Das Stift hatte die Gegend um Grafendorf von den Babenbergern erhalten.1336 erwarb der ehemalige salzburgische Pfleger von Traismauer, Konrad Feyertager, das Fridauer Lehen. 1367 ging die Lehensherrschaft von Melk an das Kloster St. Pölten über. Im folgenden Jahr erwarb Propst Ulrich von St. Pölten auch die Besitzrechte der Feyertager, deren Familie er angehörte. Neuer Lehensträger wurde Trausel von Trautmannsdorf. Er war Richter zu Hollenburg und mit den Feyertager verwandt. Er musste das Lehen aber bereits 1370 wieder abgeben. Ab 1388 hatte die Ritterfamilie Feuchter die Burg Fridau – zuerst als Pfand und dann als Lehen - 100 Jahre lang im Besitz. 1429 wird eine der hl. Maria geweihte Burgkapelle erwähnt. 1476 kam es unter Erasmus Feuchter zu einem weitgehenden Umbau, wobei jenes Renaissance-Wasserschloss entstand, das auf einem Stich von Georg Mattheus Vischer aus dem Jahr 1672 zu sehen ist. Nächster Burgherr war der mit der Familie Feuchter verschwägerte Stephan Uttendorfer von Goldegg, der 1490 die Herrschaft übernahm. Er hatte keine Nachkommen und verfügte in seinem Testament, dass Fridau verkauft und der Erlös zur Einwölbung der Kirchen in Hafnerbach, Neidling, Sasendorf und Karlstetten verwendet werden solle. Außerdem versorgte er mehrere Kirchen und Kapellen mit großzügigen Stiftungen. 1497 erwarb Reinprecht von Sinzendorf den Besitz. Er hatte 12 Geschwister und begründete in Fridau eine neue Linie der Sinzendorfer.

An seinen 1579 verstorbenen Sohn Pilgram I erinnert ein prächtiges Grabmal in der Pfarrkirche von Obergrafendorf, das ihn in Lebensgröße in einer Ritterrüstung zeigt. Seine Nachkommen wurden 1648 in den Grafenstand erhoben. Als die Türken 1683 in Grafendorf einfielen, wurde der Ort niedergebrannt. Die Einwohner hatten sich in der gut bewehrten Burg Fridau in Sicherheit gebracht, die nicht angegriffen wurde. Die Sinzendorf besaßen die Herrschaft bis 1708, als der Vizepräsident des Reichshofrates, Graf Karl Ludwig von Sinzendorf, seine Herrschaften Fridau und Rabenstein an Ercole Giuseppe Ludovico Turinetti, Marchese de Prié, verkaufte. Dieser war ursprünglich savoyischer Gesandter am Wiener Hof, doch brachte er es danach in kaiserlichen Diensten bis zum Vize-Statthalter der Niederlande. Sein Sohn Johann Anton war kaiserlicher General-Feldzeugmeister und Gesandter bei der Republik Venedig, so dass er sich um seinen Besitz kaum kümmern konnte und diesen – manchmal nicht sehr redlichen – Verwaltern überlassen musste. 1750 war er gezwungen die bereits stark verschuldete Herrschaft 1750 an den Freiherrn Johann Georg von Grechtler zu verkaufen. Dieser hatte es vom einfachen Fuhrmann bis zum Heereslieferanten und Leiter des Fuhr- und Proviantwesens beim kaiserlichen Heer am Rhein und in den Niederlanden gebracht. Schließlich wurde er Präses des Militär-Hauptverpflegsamtes sowie Oberst-Kriegs- und Proviantkommissär. Seine Tätigkeit dürfte recht einträglich gewesen sein, denn bereits 1751 erwarb er auch die Herrschaften Kirchberg an der Pielach, Weißenburg, Mainburg und Salau. Damit war er Herr fast des gesamten Pielachtales.

Er ließ bis 1755 den heutigen Schlossbau errichten. Der Baumeister ist nicht bekannt, er dürfte aber im Einflussbereich von Johann Bernhard Fischer von Erlach gestanden sein. Der barocke Wirtschaftshof blieb erhalten. Grechtler ließ hier die erste private Baumwollfabrik in Österreich unterbringen, wo vorwiegend Barchentstoffe erzeugt wurden. In ihrer Glanzzeit beschäftigte sie über 2.300 Arbeiter. Sie wurde erst um 1925 stillgelegt. 1779 übergab Grechtler seine gesamten Besitzungen seinem Sohn Georg Anton und zog sich auf sein Schloss in Hütteldorf bei Wien zurück, wo er 1780 starb. Georg Anton blieb kinderlos. Er starb nur acht Jahre nach seinem Vater und vermachte den Besitz der Freiin Antonia von Waldstätten, die 1805 den toskanischen Adeligen Don Tomaso, Fürst von Corsini, heiratete. Er war Senator und toskanischer Staatsrat. Ein Verwandter von ihm war 1730 als Klemens XII zum Papst gewählt worden. 1809 hausten die Franzosen in Obergrafendorf. Schloss Fridau kam aber glimpflich davon, da hier ihr Befehlshaber, Marschall Davoust Quartier genommen hatte. Als Don Tomaso 1856 starb, kaufte Gustav Adolf Reichsgraf von Bentinck die Besitzungen im Pielachtal. Zu seiner Zeit wurde der Mittelsaal des Gartenpavillons als protestantische Kapelle verwendet. Eine religiöse Inschrift ist dort heute noch zu sehen. 1869 wurde Fridau neuerlich verkauft. Diesmal an Ferdinand Graf Trauttmansdorff-Weinsberg. Er war Botschafter beim Heiligen Stuhl und ab 1879 Präsident des österreichischen Herrenhauses. Er ließ das Schloss gründlich renovieren und mit wertvollem Mobiliar und prächtigen Gemälden ausstatten. Auch die Kapelle erhielt 1878 eine neue Ausstattung.

Bis 1910 gehörte die Herrschaft nun den Grafen Trauttmansdorff-Weinsberg, dann drei Jahre lang dem Fürsten Johann II von und zu Liechtenstein. Über den nächsten Eigentümer, den Industriellen Rudolf Freiherr von Isbary, gelangte Fridau im Erbwege 1932 an seine Tochter Elsa Baronin Musulin und dann an deren Schwiegersohn Anton Graf Tacoli. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Schloss als deutsches Feldlazarett benutzt und zuletzt gegen die vordringenden russischen Truppen verteidigt, was ihm die nachfolgende Verwüstung einbrachte. Zahlreiche Einschläge sind noch an der Fassade zu sehen. Während der Besatzungszeit war eine russische Kommandantur im Schloss untergebracht. Da eine Sanierung der Familie nicht mehr möglich war, wurde das Gebäude 1974 an das Land Niederösterreich verkauft. Pläne, das Schloss als Gemäldegalerie des 19. und 20. Jh. zu nutzen, zerschlugen sich durch die mit der Wahl St. Pöltens zur Landeshauptstadt verbundene Zentralisierung aller kultureller Einrichtungen des Landes im Regierungsviertel. Auch die Absicht, das Schloss in ein Luxushotel oder Sanatorium umzubauen, wurde wieder aufgegeben. Im Inneren schritt der Verfall weiter. Die intarsierten Fußböden wurden herausgerissen, das Traufenpflaster in die Schallaburg gebracht und die wertvollen Türschlösser entwendet. Im Jahr 2000 wurde das Schloss schließlich an die Firma Bioinnova verkauft. Eine Renovierung des 1950 unter Denkmalschutz gestellten Gebäudes ist geplant. Vielleicht lässt sich die Idee, das Schloss in ein Vier- oder Fünf-Sterne-Hotel umzuwandeln, doch noch verwirklichen. Bedarf wäre im Raum St. Pölten durchaus gegeben.

Fridau ist eines der bedeutendsten spätbarocken Schlösser Niederösterreichs. Es liegt an der Osteinfahrt von Obergrafendorf in einem weitläufigen englischen Park mit altem Baumbestand. Eine lange Allee führt zu einem offenen Ehrenhof, der vom Hauptgebäude und zwei Seitenflügeln eingefasst ist. Diese sind gartenseitig 41 m und hofseitig 23 m lang. Durch sie wird der außen 50 m lange Haupttrakt an der Hofseite auf 25 m verkürzt. Das Gebäude hat drei Geschosse, wobei das oberste deutlich niedriger als die beiden unteren ist. Die einzelnen Trakte sind mit Walmdächern versehen. Der siebenachsige Mittelteil wird an seiner Vorderseite von einem Giebel gekrönt. Darunter befindet sich der Haupteingang mit einer vergitterten Rokoko-Oberlichte. Zwei Nebeneingänge liegen an den Seitenfronten. Die Fassaden sind im Erdgeschoß genutet und im oberen Bereich durch Riesenlisenen gegliedert. An der westlichen Gartenseite springt ein überhöhter polygonaler Mittelrisalit mit abgeschrägten Kanten stark vor. Er trägt ein eigenes Dach und enthält im Erdgeschoß die Sala terrena. Diese führt zu einer Vorhalle, die an beiden Seiten von Treppenhäusern flankiert wird (die dreiläufige Haupttreppe ist heute weitgehend zerstört). Hofseitig begleiten platzlgewölbte Gänge in allen Stockwerken die drei Flügel des Baues. Die in Weiß und Gold gehaltene zweigeschossige Schlosskapelle liegt im Erdgeschoß am Ende des nordöstlichen Seitenflügels. Sie ist mit 1753 datiert. Teile ihrer originalen Vertäfelung haben sich erhalten. Ansonsten ist sie weitgehend ruiniert. Etliche Räume des Erdgeschosses wurden bereits wieder hergerichtet und dienen betrieblichen Zwecken. Hier finden gelegentlich Veranstaltungen, wie Advent- und Ostermärkte statt. Hofseitig begleiten Gänge in allen drei Stockwerken die drei Flügel.

Über der Sala terrena liegt der, über zwei Geschosse reichende Festsaal, das architektonische Glanzstück des Gebäudes. Er gilt als einer der schönsten Rokokosäle des Landes. Sein Grundriss ist eine aus einem Achteck gebildete Ellipse. Die Wände sind mit Stuckmarmor verkleidet und durch Pilaster gegliedert. Seine Flachkuppel ist mit einem farbenprächtigen Deckenfresko von Daniel Gran geschmückt. Es stammt aus dem Jahr 1755 und ist der Verherrlichung von Kunst und Wissenschaft gewidmet, worauf die Göttergestalten von Aurora, Minerva und Apollo hinweisen. Auch die großen Supraportenbilder der drei Türen stammen vom gleichen Künstler. Sie zeigen allegorische Darstellungen, wobei der Handelsgott Merkur wohl den Beruf des Bauherrn symbolisieren soll. Dieser Saal ist der einzige relativ gut erhaltene Raum des Schlosses. In zwei Nischen neben dem Haupteingang stehen zwei in Weiß und Gold gehaltene Rokoko-Öfen. Einer davon lag bis vor wenigen Jahren in Trümmern, wurde aber bereits restauriert. Über den Ofennischen befinden sich große Vasen in Architekturmalerei. Die übrigen Räume der Beletage sind wie der Rest des Gebäudes völlig devastiert. Von der Sala terrena gelangt man über eine Terrasse in den Schlosspark. In nächster Nachbarschaft des Schlosses liegt ein weiterer umfangreicher Bau. Es handelt sich dabei um das sog. Alt- oder Vorschloss, das später als Wirtschaftshof diente. Es gehört heute besitzmäßig nicht mehr zum eigentlichen Schloss und wird von der Familie Tacoli bewohnt. Der unregelmäßige Gebäudekomplex besteht aus mehreren zweigeschossigen Bauten aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, die hufeisenförmig einen geräumigen Hof umgeben. An der Südostecke des Vorschlosses hat sich als letzter Rest der Renaissanceanlage ein mit einem Zeltdach versehener quadratischer Eckturm aus dem 15. Jahrhundert erhalten. Er ist fünfgeschossig und war ursprünglich nur über einen Hocheinstieg im ersten Stock zugänglich, doch wurden später im Inneren Stiegen angebracht. Die unteren Geschosse sind mit Ziegelgewölben versehen, die oberen hatten Holzdecken. Das oberste Stockwerk weist Schlüssellochscharten auf. Im Nordwesten steht ein Pferdestall aus dem 18. Jahrhundert. Die plastischen Pferdeköpfe an seiner Fassade weisen auf seine Verwendung hin. Unweit des Schlosses liegt eine langgestreckte barocke Orangerie. Es ist ein fünfteiliger Bau mit überhöhten Mittel- und Seitenpavillons, die mit charakteristischen Mansardendächern versehen sind. Über dem mittleren Eingang ist ein Wappenstein Johann Georg von Grechtlers angebracht. Das Bauwerk wurde vermutlich bereits unter dem Marchese de Prié erbaut und diente vorerst als Gartenlusthaus, ab 1837 dann als Trockenplatz für die Textilfabrik.

Lage: Niederösterreich/Traisental – südlich von St. Pölten, an der Osteinfahrt von Obergrafendorf

Besichtigung: nur von außen möglich, bei Voranmeldung ist auch der Festsaal zugänglich


Weitere Literatur:


25.03.2010