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Theresianum (Neue Favorita)


Wieden, der vierte Wiener Gemeindebezirk, wird 1211 erstmals urkundlich genannt. Die heutige Wiedner Hauptstraße diente aber bereits seit der Mitte des 12. Jahrhunderts als wichtige Ausfallstraße der Stadt nach Süden. Im 14. Jahrhundert befand sich an der Stelle des Theresianums ein größerer Bauernhof, der um 1300 errichtet worden war. Es handelt sich dabei um den Jekkmeierhof, der später Angerfeldhof und dann Schaumburgerhof genannt wurde, bis er sich zur Favorita und schließlich 1746 zum Theresianum wandelte. Die Jaekmayr oder Jekkmeier waren eine angesehene Wiener Bürgerfamilie, die 1287 in den gegen Herzog Albrecht I gerichteten Aufstand verwickelt war und nach dessen Niederschlagung den Treueeid schwören musste. Als zweiter Besitzer wird 1342 der Stadtrichter Haunold Schuchler erwähnt. Durch Heirat gelangte der Hof 1393 in den Besitz von Rudolf Angerfelder, der 1392 noch als Diener genannt wird, aber zwischen 1411 und 1419 bereits Wiener Bürgermeister war. Er hatte es als Geldwechsler zu beträchtlichem Wohlstand gebracht. 1450 erwarb der Landeshauptmann von Oberösterreich und Landmarschall der Steiermark, Johann II Graf Schaunberg den Hof, der nun nach ihm benannt wurde. Als im Zuge der ersten Türkenbelagerung Wiens 1529 die Vorstädte niedergebrannt wurden, um den Türken keine Operationsbasis zu bieten, dürfte auch der Schaumburger Hof zerstört worden sein. Nach dem Rückzug der Türken erfolgte aber umgehend sein Wiederaufbau. Wolfgang II Graf Schaunberg verkaufte ihn um 1557 an Andreas Pögl, Freiherrn von Reiffenstein. Ihm gehörten auch die Feste Liechtenstein, sein Stammsitz Arzberg sowie die Herrschaften Hohenberg und Neusiedl/Zaya. Der Pögl’sche Hof befand sich wie seine Vorgänger auf dem Areal des heutigen Ökonomatshofes des Theresianums, war aber etwas größer. Er dürfte anfangs ein einfacher schmuckloser Meierhof gewesen sein. Auf einer Stadtansicht des Jacob Hoefnagel von 1609 ist aber zu erkennen, dass er bereits eine stattliche Anlage war. Er war ein großer Renaissancebau mit straßenseitigen Rondellen und Scharwachttürmchen an der Parkseite. Mittlerweile hatte der Freihof mehrfach seine Besitzer gewechselt, zu denen u. a. Hanns Georg von Kollonitsch und Hans Paur gehörten. Der aus Eisenstadt stammende Wolf Sinich erwarb 1584 den Besitz. Er betrieb hier eine Landwirtschaft und ließ die Gebäude für seine Zwecke weiter ausbauen. 1615 verkaufte Wolf Sinich der Jüngere den Hof an Anna von Tirol, die Gemahlin des Kaisers Matthias.

Dieser ließ sich hier ein Sommerschloss errichten, wobei die älteren Bauteile in den Neubau einbezogen wurden. Der Umbau zum Renaissanceschloss wurde zwar umgehend begonnen, zog sich aber bis 1625 hin. 1616 musste sogar einem Ziegeleibesitzer Leibesstrafen und kaiserliche Ungnade angedroht werden, um die benötigten Ziegeln zu bekommen. Mauerreste aus dem 15./16. Jahrhundert sind im Keller des Ökonomatshofes nachzuweisen. Kaiser Ferdinand III hatte einen Sommersitz im Augarten, den er Favorita nannte. Als dieser 1656 bei einer Überschwemmung von der Donau überflutet wurde, bevorzugte er das Schloss auf der Wieden. Zum Unterschied zur Favorita im Augarten wurde es nun „Neue Favorita“ genannt. Es gab sowohl der an ihm vorbeiführenden Ausfallstraße als auch später dem zehnten Wiener Gemeindebezirk seinen Namen. Vor allem Eleonora von Mantua, die dritte Gemahlin Kaiser Ferdinands III, war sehr um die Ausgestaltung des Schlosses bemüht. Ein Vischer-Stich aus dem Jahr 1672 zeigt sein damaliges Aussehen. Da Ferdinand III aber bereits 1657 starb, dürfte der Großteil des Spätrenaissance-Umbaues unter Kaiser Leopold I erfolgt sein. Das Schloss war damals bereits ein lang gestreckter Bau mit 35 straßenseitigen Fensterachsen. Es hatte zwei Längs- und drei Quertrakten, die einen großen und einen kleinen Hof umgaben. Dahinter erstreckten sich geometrisch angelegte Lustgärten. Sie waren von Giovanni Battista Carlone geplant worden. Dieser hatte 1642 auch die Brunnenanlagen erneuern lassen. 1660 stellten die Gärten bereits eine viel bewunderte Sehenswürdigkeit Wiens dar. 1679 wurde ein perspektivisches Gittertor als Abschluss der auf das Schloss zuführenden großen Lindenallee geschaffen. Als 1683 die Türken sich neuerlich zur Belagerung Wiens anschickten, verfügte Ernst Rüdiger Graf Starhemberg, der den Oberbefehl der Verteidiger hatte, dass alle Vorstädte niedergebrannt werden müssten, um den türkischen Truppen keinen Unterschlupf zu bieten. Davon wurde auch die kaiserliche Favorita nicht ausgenommen. Sie ging in Flammen auf, so dass lediglich die Hauptmauern ohne Dach und Zwischendecken noch standen, als die Türken ihren fluchtartigen Rückzug antreten mussten.

Nach der endgültigen Vertreibung der Türken entstanden auf den brachliegenden Gründen der Wiener Vorstädte zahlreiche adelige Sommerschlösser. Natürlich wurde auch die Neue Favorita wesentlich größer und schöner erneuert. Als Architekten des Barockbaues vermutete man früher den kaiserlichen Theaterarchitekten Lodovico Ottavio Burnacini. Heute ist man jedoch weitgehend sicher, dass es Giovanni Pietro Tencala war, der für Kaiser Leopold I auch den Leopoldinischen Trakt der Hofburg schuf. Beide Fassaden ähneln einander. Die Arbeiten dürften 1690 beendet gewesen sein. Das Schloss hatte inzwischen ein drittes Stockwerk und durch die Einziehung eines Quertraktes einen dritten Hof bekommen. Die Blütezeit der Favorita war relativ kurz. Sie lag in den Jahren zwischen 1690 und 1725. Kaiser Leopold I machte das Schloss zu einem kulturellen Zentrum Wiens. Es war Schauplatz prunkvoller Feste und zahlreicher Opernaufführungen, an denen auch Mitglieder des Herrscherhauses mitwirkten. 1698 empfang hier Leopold den russischen Zaren Peter den Großen, der im Rahmen seiner „Grande Tour“ Wien besuchte. Einige Tage später gab der Kaiser seinem Gast zu Ehren einen großen Maskenball, bei dem er als Wirt verkleidet seine Gäste empfing. Jean Trehet war als kaiserlicher Garteningenieur für die Neuanlage des großen Barockgartens verantwortlich. Unter seiner Leitung entstanden um 1706 das Gartentheater mit seiner Grotte sowie ein Turnierplatz. Bereits unter Kaiser Karl VI wurde nach einem Entwurf von Joseph Emanuel Fischer von Erlach vor 1725 im hinteren Teil des Parks eine Schießstätte errichtet. Sie wurde aber vermutlich zwischen 1817 und 1829 wieder abgetragen. Die Favorita war das Lieblingsschloss von Kaiser Karl VI. Seine Tochter Maria Theresia wurde hier geboren. Er und sein Hof verbrachten jeweils die Zeit von Mitte Juni bis zum Spätherbst im Schloss. Während dieser Zeit wurden zahlreiche Feste abgehalten. Vor allem das Gartentheater wurde zum Schauplatz glanzvoller Opernaufführungen, die auch den nahe gelegenen Teich einbezogen.

Nach einem Jagdaufenthalt im burgenländischen Seewinkel kam Karl VI 1740 bereits todkrank in der Favorita an und starb wenige Tage später. Mit dem Tod des Kaisers endete die Geschichte der Favorita als kaiserliche Sommerresidenz. Maria Theresia hatte im Schloss einen Teil ihrer Kindheit und Jugend verbracht, wohnte aber nach dem Ableben ihres Vaters nie wieder hier. Sie ließ sein Sterbezimmer zu einem Gedenkraum umbauen und bevorzugte nunmehr das von ihr großartig ausgebaute Schönbrunn. Die ehemalige Favorita diente nun als Depot und Kaserne der Stadt-Miliz, war aber bald in keinem guten baulichen Zustand mehr. Auch der Park wird 1737 bereits als verwildert geschildert. 1746 wurde das Schloss an den Jesuitenorden abgetreten, der hier das von der Kaiserin gestiftete Collegium Nobilium zur Erziehung adeliger Schüler einrichtete. Der erforderliche Umbau erfolgte nach Plänen des Bauinspektors Jean Nicolas Jadot de Ville-Issey. 1748 richtete man eine Fachbibliothek ein. 1753 wurde der Straßentrakt um 19 Fensterachsen nach Norden verlängert, womit er seine heutige Ausdehnung erhielt. Das Komödienhaus wurde in eine Reithalle verwandelt, für die neue Stallungen geschaffen werden mussten. Zwei Jahre später wurde das Ballhaus, das heute als „Unteres Stöckl“ bekannt ist, errichtet. In ihm waren ein Festsaal, sowie ein Fechtsaal und ein Werkstättenraum untergebracht. Letzter größerer schulbedingter Umbau war das 1773/74 errichtete „Obere Stöckl“, das für die Unterbringung verschiedener Studiensammlungen bestimmt war. Als Architekt der beiden Stöckln wird Nikolaus Pacassi vermutet, der auch für die Verlängerung des Gebäudes zuständig gewesen sein dürfte. Der Umgestaltung für den Schulbetrieb fielen mehrere bedeutende Innenräume zum Opfer, wie die Geheime Ratsstube und die Galerie. 1778 wurde die Savoyische Akademie mit dem Collegium Nobilium zur Theresianisch-Savoyische Ritterakademie vereinigt.

1782 ging auch die Adelige Akademie in Brünn im Theresianum auf. Nachdem der Jesuitenordens 1773 aufgelöst worden war, verfügte Kaiser Joseph II 1783 auch die Schließung der Theresianische Akademie. Die Neue Favorita wurde nun Sitz der k. k. Ingenieur-Akademie. Als Kaiser Franz II 1797 die Regierung übernahm, verfügte er jedoch umgehend die Wiederherstellung der Theresianischen Akademie. Nun übernahmen die Piaristen Erziehung und Unterricht. Die Ingenieurakademie musste wieder ihr altes Domizil in der heutigen Stiftskaserne beziehen. Natürlich erfolgten neuerliche Baumaßnahmen, diesmal unter dem Baumeister Heinrich Koch. Die Fassaden wurden hellocker gefärbelt. Die Arbeiten zogen sich bis 1807 hin. Zwischen 1835 und 1839 wurde der Garten in einen englischen Park umgewandelt. 1849 mussten die Piaristen die Leitung abgeben. Die Akademie wurde dem Unterrichtsministerium unterstellt und auch bürgerlichen Schülern zugänglich gemacht. Um 1883 die Orientalische Akademie, die Vorläuferin der heutigen Diplomatischen Akademie, im Theresianum unterbringen zu können, musste im Norden des Reitschulhofes der viergeschossige Konsulartrakt errichtet werden. Sowohl die Theresianische als auch die Orientalische Akademie unterstanden derselben Direktion, wurden aber nicht fusioniert. 1905 zog die nun Konsularakademie genannte Orientalische Akademie in ein neues Gebäude in der Boltzmanngasse, der heutigen amerikanischen Botschaft. Der Plan, das Theresianum in einen großzügigen Neubau im Lainzer Tiergarten zu verlegen, wurde durch den Beginn des Ersten Weltkrieges vereitelt. Das bisherige Areal wäre parzelliert und verkauft worden. Nach dem Kriegsende war das Theresianum vom finanziellen Kollaps bedroht. Seine in Mähren gelegenen Gutsbetriebe , die die finanzielle Basis der Institution sicher stellten, waren dort verstaatlicht worden. Gleichzeitig blieben praktisch alle Zöglinge aus den Nachfolgestaaten aus.

Durch den Verkauf des Gutes Zistersdorf und eines Teiles des Parks an die Ravag (1935) konnte die Lage stabilisiert werden. Nach der Annektion Österreichs durch das Deutsche Reich wurde die Theresianische Akademie in eine Nationalpolitische Erziehungsanstalt (Napola) umgewandelt. Die Stiftung blieb aber bestehen. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Gebäude des Theresianums durch Bombentreffer schwer beschädigt, wobei vor allem der Konsulartrakt großteils zerstört worden war. In der bis 1955 dauernden russischen Besatzungszeit, während der das Schloss durch die USIA verwaltet wurde, ging fast die gesamte nicht wandfeste Ausstattung verloren. Unter anderem war die ehemalige Sala terena als Pferdestall verwendet worden. Die Bibliothek, die im Krieg in das Stift Göttweig ausgelagert worden war, konnte gerettet werden. 1955 gab es Pläne, das Theresianum mit Ausnahme der Kaiserzimmer abzureißen und im Park neue Schulgebäude zu errichten. Glücklicherweise entschloss man sich – vorwiegend aus finanziellen Gründen – doch zur Sanierung der verwahrlosten Bauten. Die Kriegs- und Nachkriegsschäden konnten bis 1964 behoben werden. Der Park wurde vom Entminungsdienst wieder begehbar gemacht. Danach wurde im wieder aufgebauten Konsulartrakt neuerlich die Diplomatische Akademie untergebracht. 1979 konnte diese auch das ehemalige Ballhaus beziehen. Im größeren südlichen Teil des ehemaligen Schlosses ist nach wie vor das Gymnasium der Stiftung Theresianische Akademie untergebracht. Leider fanden noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schwere Eingriffe in die historische Substanz des Schlosses statt, die zwar für die Aufrechterhaltung einer modernen Lehranstalt notwendig waren, aber doch große Veränderungen bewirkten.

Die riesige Anlage umfasst drei geschlossene und zwei nach Osten offene Höfe. Die 315 m lange Hauptfassade an der Favoritenstraße weist inklusive der beiden Anbauten 75 Fensterachsen auf. Dadurch wirkt sie etwas langweilig und kasernenhaft. Ihr heutiges Aussehen hat sie um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert erhalten. Zentrum der Anlage ist der gegen die Mayerhofgasse flach vortretende Mittelrisalit. Er dürfte nach einem Entwurf des Mainzer Architekten Ernest Koch ausgeführt worden sein. Über dem Hauptportal befindet sich ein klassizistischer Dreiecksgiebel, der aus der Zeit der Wiederherstellung der Theresianischen Akademie stammt. Der kaiserliche Doppeladler im Giebelfeld wurde von Johann Martin Fischer in Stein ausgeführt, aber 1892 in Zinkguss erneuert. Der Mittelrisalit ist in seinen oberen drei Geschossen durch ionische Riesenpilaster vertikal gegliedert. Über den Fenstern des ersten Stocks springen dreiachsige Verdachungen vor. Das korbbogige Hauptportal wird von dorischen Doppelsäulen eingerahmt, die einen gesprengten Segmentgiebel tragen. Die beiden ebenfalls segmentbogigen Seitenportale sind aus der Fassadengestaltung baulich nicht hervorgehoben. Sie werden von toskanischen Säulen und Pilastern flankiert. Auch sie zeigen gesprengte Giebeln. Über dem nördlichen Tor ist das Liechtensteinsche-Savoyische Allianzwappen angebracht. Es erinnert an die Fusion der Savoyischen Akademie mit der Theresianischen Akademie 1778. Das Erdgeschoß der Hauptfassade ist gebändert und – bedingt durch das ansteigende Straßenniveau – ungleich hoch. Das Hauptgeschoß ist mit Ausnahme des Mittelrisalits genutet. Seine Fenster sind mit segmentbogigen Verdachungen und einfach profilierten Putzrahmen versehen. Die Fenster des dritten Geschosses weisen gerade Verdachungen auf. Sie sind durch lisenenartigen Putzrahmenfelder mit den kleinen viereckigen Fensteröffnungen des vierten Geschosses verbunden. Die Fassaden waren ursprünglich mehrfarbig. Erst 1807 wurden sie in einem hellen Beige gefärbelt. Dieser Farbton wurde auch bei den späteren Renovierungen von 1976 und 1996 wieder gewählt. Die Hoffassaden zeigen zum Teil noch ihre Gestalt, die sie beim Wiederaufbau nach der zweiten Türkenbelagerung Wiens bekamen. Dem viergeschossigen Haupttrakt schließen sich als pavillonartige Nebengebäude im Norden das Untere Stöckl (das ehemalige Ballhaus) und im Süden das Obere Stöckl an. Als Museumsgebäude hat letzteres einen schlösschenartigen Charakter. Sein gartenseitiger Mittelrisalit wird durch eine von Johann Georg Dorfmeister gestaltete Figurengruppe auf der Attika betont. Diese trägt eine Inschrift, die darauf hinweist, dass das Gebäude 1774 unter Maria Theresia und Joseph II errichtet worden ist.

Der gesamte nördliche Quertrakt wurde vom Komödienhaus eingenommen, das nach 1746 verlängert und in eine Reithalle verwandelt wurde. Der Zuschauerraum nahm eine Fläche von ca. 15 x 32 m ein. 1962 wurde im Reitschultrakt an der Stelle des einstigen Komödienhauses ein Hallenschwimmbad eingebaut. Die meisten Innenräume des Schlosses sind längst für Schulzwecke adaptiert. Es haben sich jedoch einige Repräsentationsräume erhalten, aus denen man die Pracht der einstigen kaiserlichen Sommerresidenz erahnen kann. Die dem Hl. Michael geweihte Kapelle wurde nach 1614 als nahezu frei stehender Baukörper errichtet und nach 1683 erneuert, wobei sie in den Neubau des Schlosses integriert wurde. Sie liegt im Haupttrakt an der Favoritenstraße. Der schmale zweigeschossige Raum erstreckt sich über fünf Fensterachsen. Die Wände werden durch illusionistische Architekturmalereien strukturiert. Sie täuschen Wandpfeiler mit Gebälkstücken vor. Auch die Stichkappen des flachen Tonnengewölbes werden von Grisaillemalereien gerahmt. Die vier Gemälde im Gewölbe dürften um 1700 in der Werkstatt von Peter Strudel entstanden sein. Für die Grisaillemalereien dürfte J. F. Hetzendorf von Hohenberg um 1770 die Entwürfe geliefert haben. Das ebenfalls Peter Strudel oder seiner Werkstatt um 1700 zugeschriebene Altarbild zeigt den Erzengel Michael, wie er den gefallenen Engeln den Weg zur Hölle weist. Das Inventar der Kapelle war 1938 vom erzbischöflichen Ordinariat angekauft worden, um es vor der Vernichtung zu schützen. Anläßlich der Generalrestaurierung des Schlosses wurde es wieder zurückgestellt. Im Dachbodenraum hängt die drittälteste Glocke Wiens. Sie wurde 1465 gegossen und war ursprünglich im heute nicht mehr vorhandenen Uhrturm aufgehängt. Südlich des Hauptportals befindet sich das repräsentative Treppenhaus. Es reicht nur über zwei Geschosse. Die dreiläufige Stiege mündet in ein breites Podest, das von einer Steinbalustrade begrenzt wird. An deren Eckpfeiler ist ein liegender Löwe aus rotem Marmor (15. Jahrhundert?) aufgestellt. Vom obersten Treppenabsatz gelangt man durch einen prunkvollen Eingang in den Verbindungsgang des Obergeschosses. Diese Tür weist eine besonders reich geschnitzte Holzumrahmung (um 1760) auf. Auf den seitlichen Pilastern sitzen die allegorischen Figuren der Gerechtigkeit und des bewaffneten Friedens. In der Mitte des Draperieaufbaues erkennt man in einem Relief die Büsten der Kaiserin Maria Theresia und ihres Gatten Franz Stephan I. Darüber sind die Reichsinsignien (Krone, Szepter und Schwert) zu sehen, die von einem Engel mit Posaune, einem Putto und der Figur der Fama umgeben sind. An der flachen Stuckdecke erinnern der kaiserliche Doppeladler sowie die Buchstaben L I an Kaiser Leopold I. An den Wänden des Stiegenhauses sind große elliptische Stuckmedaillons mit Reliefbrustbildern angebracht, die sagenhafte Herrscher der Antike darstellen.

Die Wohnräume des Kaisers lagen im Gartentrakt um den heutigen Direktionshof. Heute werden sie vom Kuratorium des Theresianums genutzt. Zu diesen sog. Kaiserzimmern, zu denen ein Arbeitszimmer, ein Schlafzimmer, eine Retirade sowie das Goldkabinett gehörte, gelangte man durch eine einfache Holztüre mit einer aufwändigen Supraporte, die in einem Medaillon das Bild Kaiser Karls VI zeigt. Sie wird Josef Emanuel Fischer von Erlach zugeschrieben und dürfte um 1725 geschaffen worden sein. Die Zimmer sind mit Stuckdecken, intarsierten Holztüren und altem Mobiliar sowie Gemälden aus dem 18. und 19. Jahrhundert ausgestattet. Besonders interessant ist das Goldkabinett, auch Marmorzimmer genannt, am südlichen Ende der Kaiserappartements. Der intime Raum wurde um 1724 nach einem Entwurf von Claude Lefort-Duplessis eingerichtet. Seine Wandflächen bestehen aus rötlichem Stuckmarmor, die durch ionische Pilaster gegliedert sind. Sowohl das hohe Spiegelgewölbe als auch die Wandfelder sind mit farbenprächtigen Dekorationsmalereien geschmückt. Zwischen Laub- und Bandlwerk, Kartuschen und Rocaillen erkennt man gemalte Blumenvasen und Fruchtkränze mit spielenden Putti. Im Schlafzimmer starb Kaiser Karl VI am 20. Oktober 1740. Dieser Raum wurde später unterteilt. Ein Teil ist als Gedenkraum gestaltet. Er springt durch eine Kapellennische gegen den Direktionshof vor. An einer Wand hängt ein Stammbaum des Hauses Habsburg von 1760. An das Billardzimmer schlossen die Räume der Kaiserin an. Südlich des Stiegenhauses liegt im ersten Obergeschoß der Peregrinsaal. Es war jener Raum, in dem die Gäste des Kaisers von diesem empfangen wurden. Später diente er als Tanzsaal. Seine Flachdecke ist mit zahlreichen barocken Fresken geschmückt die allegorische Darstellungen verschiedener Wissensgebiete zeigen. Sie sind von schweren profilierten Stuckrahmen umgeben, die aus dem 17. Jahrhundert stammen. Die Wandgemälde dürften in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden sein, wurden aber bald nach dem Erwerb der Favorita durch die Jesuiten übertüncht. Sie wurden erst 1983 wiederentdeckt und freigelegt. Ihr Schöpfer ist unbekannt. Vom Peregrinsaal gelangte man über ein Vorzimmer in die Geheime Ratsstube. Hier stand ein mit einem Baldachin versehener Thron. Linker Hand befand sich eine Galerie, die einerseits als Wandelgang und anderseits als kaiserlicher Speisesaal sowie für kleinere Veranstaltungen, wie Musikabende diente. Auch die Galerie ist in dieser Form nicht mehr vorhanden, da sie nach 1746 in kleine Zimmer unterteilt wurde. Erhalten ist aber die um 1690 eingerichtete Sala terena im Erdgeschoß des südlichen Quertraktes. Der seit 1957 als Speisesaal verwendete vierzehnachsige Raum war damals durch offene Arkaden mit dem Garten verbunden. In den Gewölbegurten sind 19 Medaillons zu sehen, die sämtliche Habsburger-Herrscher von Rudolf I bis Karl VI sowie fünf sagenhafte Vorfahren zeigen.

Im Zentrum des Haupttraktes liegt die Bibliothek. Sie umfasst vier Räume. Ihr Bestand reicht von ägyptischen Papyrusrollen bis zu Publikationen, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg erschienen sind. Die Bibliothek wurde 1748 gegründet, als es dem Theresianum gelang, die Büchersammlung des Leibarztes von Karl VI, Pius Nicolaus Garelli, zu erwerben. Leider ging diese Sammlung wieder verloren, da sie 1784 nach Aufhebung der Akademie nach Lemberg verbracht worden war, wo sie 1848 zerstört wurde. Nach 1797 wurde die Bibliothek durch Ankäufe und Schenkungen neu aufgebaut. Die Flachdecke weist sparsame Stuckverzierungen aus der Zeit um 1746 auf. Zur Bibliothek wurde der Raum erst nach 1797. Hinter den nach Osten führenden Quertrakten und dem Gartentrakt erstreckt sich ein immer noch großer Park. Zu diesem gehört auch der ehemalige Botanische Garten am Südrand des Komplexes. Der einst prachtvolle Schlosspark hat seinen Glanz längst verloren und macht heute einen wenig gepflegten Eindruck. 1936 wurde er durch den Verkauf eines 12.500 m² großen Grundstückes an die Ravag, dem Vorgänger des ORF, deutlich verkleinert. Hier lagen einst verschiedene Nutzgärten und die große Orangerie. Der bereits um 1614 erwähnte Teich war ca. 95 m lang und 19 m breit. Er wurde 1835 zur Schwimmschule umfunktioniert, und zehn Jahre später verkürzt und vertieft. 1963 wurde er aufgelassen. An seiner Stelle wurde ein Sportplatz angelegt. Wieder für Aufführungen genutzt wird das Gartentheater. Nachdem den Jesuiten die stimmungsvolle Grotte als Ort der Meditation gedient hatte, wurden sie und die sonstigen Theaterbauten 1927 zu einem Ehrenmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Absolventen des Theresianums umgestaltet. Seit einigen Jahren werden an dieser interessanten Spielstätte Schüleraufführungen abgehalten und öffentlich zugängliches Sommertheater gespielt. Ein wichtiges kunsthistorisches Denkmal stellt das perspektivische Gittertor dar, das seit 1936 den Schlosspark vom ehemaligen botanischen Garten abgrenzt. Ursprünglich bildete es den Abschluss einer Allee, die sich entlang der heutigen Plösslgasse erstreckte. Es dürfte bereits 1679 errichtet worden sein und die Türkenbelagerung mehr oder weniger unbeschadet überstanden haben.

Ort/Adresse: 1040 Wien, Favoritenstraße 15

Besichtigung: üblicherweise nur von außen möglich, die Kaiserzimmer sind auf Anfrage aber manchmal zugänglich

Homepage: www.theresianum.ac.at


Weitere Literatur:


21.12.2009