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Wiesberg


Bis in die jüngste Vergangenheit war die malerische Trisannabrücke mit der daneben liegenden Burg Wiesberg eines der beliebtesten Tiroler Postkartenmotive. Es ist jedoch weitgehend unbekannt, dass die Burg in ihrer heutigen Form um etwa 20 Jahre jünger ist als die Eisenbahnbrücke. Dennoch lässt die Bauanalyse den Schluss zu, dass sie bereits im zweiten Drittel des 13. Jahrhunderts errichtet wurde. Bis auf einen Hugo von Wiesberg, der um 1271 aufscheint, sind die Herren von Wiesberg urkundlich kaum fassbar. Sie und die auf sie folgenden Herren von Ramüs waren Gefolgsleute der Bischöfe von Chur und verwalteten deren Güter im Paznauntal. Um 1330 wird mehrfach ein Nanno von Ramüs genannt. Anlässlich eines Streites mit dem Tiroler Landesfürsten belagerte damals der Richter von Landeck die Burg und konnte sie schließlich einnehmen. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts war die Lehenshoheit bereits stillschweigend vom Bistum Chur an die Grafen von Tirol übergegangen. Diese verliehen Wiesberg an die Herren von Rottenburg. Als Heinrich von Rottenburg bei seiner Fehde gegen Herzog Friedrich (mit der leeren Tasche) den Kürzeren zog, musste er seine wichtigsten Burgen an den Landesfürsten abtreten, doch blieb Wiesberg in seinem Besitz. Erst nach seinem Tod wurden landesfürstliche Verwalter eingesetzt. 1414 ließ der Pfleger Moritz Hergassen die Burg mit modernen Feuerwaffen bestücken. Es war die Zeit als Herzog Friedrich sich in der Reichsacht befand und Angriffe seiner Gegner befürchten musste. Auch die späteren Pfleger und Pfandinhaber sorgten dafür, dass die Wehrhaftigkeit der Anlage nicht vernachlässigt wurde.

Zu den letzteren zählten Hans von Stuben (1431), Cyriak von Haidenreich (1588), Johann Marx Georg Graf von Clary und Aldringen (1679) sowie Theodor Peregrin von Wolkenstein-Rodenegg (1777). Ein Plan des Innsbrucker Hofbaumeisters Christoph Gumpp, der 1636 den festungsartigen Ausbau der Burg vorsah, kam nicht zur Ausführung. Gräfin Therese von Wolkenstein-Rodenegg verkaufte ihren Pfandbesitz 1837 an den Braunauer Schiffsmeister Michael Fink. 1852 ging Wiesberg an die Tiroler Landesregierung über. 1859 erhielt die Burg mit Martin Siegele einen bäuerlichen Eigentümer. Um ihre Erhaltung und Pflege kümmerte sich der neue Besitzer aber genau so wenig, wie zuvor die ehemaligen Pfandherren, denen es ebenfalls nur um die mit der Burg verbundenen Wälder und Felder ging. Als 1885 mit der Arlbergbahn auch die Trisannabrücke gebaut wurde, kauften die Staatsbahnen die schon sehr baufällige Burg um Einsprüche wegen der unmittelbar unter ihr verlegten Trassenführung zu vermeiden. Nach Vollendung der Brücke veräußerten sie Wiesberg zwei Jahre später an den Bierbrauer Georg Auer aus Saalfelden. Beim Versuch, die Burg in ein Nobelhotel zu verwandeln, geriet er jedoch in finanzielle Schwierigkeiten, so dass Wiesberg 1889 versteigert wurde. Neuer Eigentümer wurde Hermann Landfried aus Heidelberg, der 1906 eine aufwändige Generalsanierung, die mit einem teilweisen Neubau verbunden war, einleitete. Landfried wünschte sich weniger eine originalgetreue Restaurierung sondern eine perfekte mittelalterliche Traumburg. Die Einwendungen der Denkmalpflege wurden aber schließlich doch zum Teil berücksichtigt. Die bemerkenswerte Innenausstattung erfolgte bis 1940. Im Mai 1945 fanden auf Wiesberg Waffenstillstandsverhandlungen zwischen der Deutschen Wehrmacht und den Amerikanern statt. Deutsche Generäle unterzeichneten hier ihre Kapitulationsurkunde.Die Amerikaner besetzten die Burg, gaben sie aber bald an die für Tirol zuständige französische Besatzungsmacht weiter. Seit der Rückgabe gehört die gepflegte Anlage wieder der Familie Landfried

Wiesberg liegt an der Einmündung des Paznauntales in das Stanzertal. Durch die steil abfallenden Hänge und die Flüsse Sanna und Trisanna war es im Westen und Norden sehr gut geschützt. Dennoch wurde der Burg um 1500 im Westen ein Zwinger mit einem Eckrondell vorgelegt. Lediglich von Osten und Süden her waren feindliche Annäherungen zu befürchten. Das heutige Aussehen der Burg stammt erst aus den Jahren 1906 bis 1909. Damals erhielt der bereits sehr unansehnliche Bau durch den Neuaufbau des in die Ringmauer eingebundenen Bergfrieds wieder ein mittelalterliches Gepräge. Lediglich sein unteres Drittel wurde noch von den Herren von Ramüs um 1290 errichtet. Bereits im 17. Jahrhundert war der Bergfried weitgehend verfallen. Durch die Aufstockung erweisen sich auch die schönen „romanischen“ Zwillingsfenster im oberen Bereich als „pseudoromanisch“. Natürlich stammt auch das Pyramidendach aus dem 20. Jahrhundert. Der 7,8 x 8,4 m große Bergfried steht merkwürdigerweise nicht an der gefährdeten Angriffsseite im Osten, sondern im sturmfreien Bereich des Westens. Er deckte hier das alte Burgtor. Seine Mauern sind wesentlich schwächer dimensioniert als die bis zu 2,7 m starke Ringmauer, die das eigentliche Verteidigungsbollwerk der Burg war. Ihr nördlicher Teil stürzte 1831 ein. Der Bering stammt aus dem zweiten Drittel des 13. Jahrhunderts. An seinen Ecken wurde er im 14. Jahrhundert turmartig erhöht. Beim Umbau von 1908 wurde an der Stelle eines Eckbaues ein Verandaturm errichtet. Der Bergfried ist mit dem bescheidenen Palas durch einen Wohntrakt aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts verbunden. In seiner „Tiroler Stube“ hat sich ein Fenstererker aus der Bauzeit erhalten. Der quadratische Palas weist ungewöhnlich starke Mauern auf. Er zeigt an seiner Hoffront eine – allerdings 1908 erneuerte – Putzquadrierung. Die alten Fensteröffnungen wurden beim Umbau verändert. In der nordwestlichen Ecke der Ringmauer liegt die spätgotische, 1420 erbaute Liebfrauenkapelle. Ihr tuffgerahmtes Spitzbogenportal stammt wohl noch aus jener Zeit. Die Kapelle selbst wurde aber 1602 erneuert bzw. neu geweiht und 1908 neuerlich umgebaut. Damals wurde sie auch mit den Deckenmalereien und den Glasfenstern ausgestattet. Der Torbau mit seinem überdimensionierten Spitzbogentor sowie die Arkaden mit der Veranda sind ebenfalls Zutaten aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts.

Lage: Tirol/Paznauntal – ca. 5 km westlich von Landeck

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


28.06.2009