ARCHIV


Gefährdete Objekte

Schlosshotels

Personenverzeichnis






Bad Ischl - Kaiservilla


Bad Ischl ist mit Kaiser Franz Joseph untrennbar verbunden. In seinen 86 Lebensjahren verbrachte er 82 Sommer in Ischl. Schon seine Eltern Erzherzog Franz Karl und Erzherzogin Sophie fuhren seit 1829 regelmäßig zur Kur hierher. Der Hofarzt Franz von Wirer, der zu den größten Förderern Bad Ischls gehörte, hatte der Erzherzogin den Aufenthalt empfohlen, da sie trotz mehrjähriger Ehe noch kinderlos war und bereits mehrere Fehlgeburten erlitten hatte. Als 1830 Franz Joseph geboren wurde, wurde der regelmäßige Sommeraufenthalt beibehalten und der spätere Kaiser schon als einjähriges Kind mitgenommen. Franz Joseph und seine Brüder wurden im Volksmund oft als „Salzprinzen“ bezeichnet, da sie ihre Geburt den Solebädern ihrer Mutter verdankten. Die Familie wohnte allerdings noch nicht in der Kaiservilla, sondern zuerst in einigen Gästehäusern und dann im Haus der Salzhändlerfamilie Seeauer an der Traun, das 1880 zum Hotel Austria wurde und seit 1989 als Heimatmuseum eingerichtet ist. 1853 lernte Franz Joseph bei einem Ball in Ischl seine spätere Gemahlin Elisabeth von Bayern kennen. Im gleichen Jahr erwarb Erzherzogin Sophie die verhältnismäßig kleine Biedermeiervilla des Wiener Notars Dr. Josef August Eltz, in der schon Staatskanzler Clemens Fürst Metternich die Sommermonate verbrachte und die 1850 in den Besitz des Salinenarztes Dr. Eduard Mastalier übergegangen war. Anlässlich ihrer Hochzeit erhielt das kaiserliche Paar 1854 die Villa zu seiner Verfügung übertragen. In den nächsten Jahren wurde die Anlage für die Bedürfnisse des Kaisers und vor allem der Kaiserin adaptiert. Im Park wurde ein Schwimmbecken angelegt. Da während der sommerlichen Anwesenheit des Kaisers nicht gebaut werden durfte, zogen sich die Bauarbeiten bis 1860 hin. Das Gebäude wurde bald nur mehr Kaiservilla genannt, erwies sich aber von Anfang an als zu klein, so dass bis 1873 an ihr immer wieder gebaut wurde.

Der kaiserliche Kammerdiener und Hobby-Architekt Antonio Legrenzi setzte an den bereits bestehenden Mittelbau zwei hakenförmige Seitenflügel an, wodurch die bisherige Villa in ein Sommerschloss verwandelt wurde. Der in Laxenburg tätige Hofgärtner Franz Rauch wurde mit der Gestaltung des Parks im englischen Stil beauftragt. Nach dem Tod Legrenzis übernahm Rauch 1858 auch dessen architektonische Aufgaben. Als im August 1854, vier Monate nach ihrer Hochzeit, Franz Joseph und Elisabeth hier ihren ersten Sommer verbrachten, war das Küchengebäude noch nicht fertig, so dass sie bei den Eltern Franz Josephs im Seeauer-Haus speisen mussten. Dennoch fand hier bereits am 23. August ein Staatsbesuch des Königs Ferdinand von Portugal statt, dem bis 1916 Dutzende andere folgen sollten. Die Villa sah fast alle gekrönte Häupter ihrer Zeit vom deutschen Kaiser Wilhelm I bis zum König von Siam und dem brasilianischen Kaiser. Kaiserin Elisabeth, die für ihre Unstetigkeit und Reiselust bekannt war, schätzte die Kaiservilla nicht in dem Ausmaß wie ihr Gemahl, doch war sie ihr ein willkommener Stützpunkt für zahlreiche Bergwanderungen. Wenn die kaiserliche Familie nicht in Ischl weilte, konnte die Kaiservilla von den Kurgästen besichtigt werden. Mit Ausnahme des unruhigen Jahres 1878 sowie der Kriegsjahre 1915 und 1916 verbrachte Kaiser Franz Joseph jeden Sommer in der Kaiservilla. Sie wurde seine offizielle Sommerresidenz. Er kam meist anfangs Juli, wenn die Jagdsaison begann und blieb bis zum 18. August, seinem Geburtstag. Dieser wird übrigens heute noch mit der Kaisermesse in der Ischler Pfarrkirche St. Nikolaus gefeiert. Kaiser Franz Josef benützte die Villa nicht nur als Refugium und Stützpunkt für seine Leidenschaft, die Jagd, sondern regierte in den Sommermonaten von ihr aus die Monarchie. Ein Kurier brachte jeden zweiten Tag die wichtigsten Akte aus Wien und nahm sie, sobald sie vom Kaiser erledigt waren, wieder mit.

In Ischl erfuhr er 1866, dass seine Armee von den Preußen geschlagen wurde. Als Erzherzogin Sophie 1872 starb, erbten Franz Joseph und seine Brüder Karl Ludwig und Ludwig Viktor die Villa. Die Brüder verzichteten auf ihr Wohnrecht, so dass der Kaiser Alleineigentümer wurde. 1898 verabschiedete er sich in der Kaiservilla zum letzten Mal von seiner Gattin, die kurz darauf einem Attentat zum Opfer fiel. Hier wurde ihm die Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajewo mitgeteilt. Am 28. Juli 1914 unterzeichnete er die folgenschwere Kriegserklärung an Serbien, die in einer Kettenreaktion den Ersten Weltkrieg auslösen sollte. Zwei Tage später kehrte er nach Wien zurück und sah Ischl nicht wieder. Allerdings ließ er weiterhin Sonderzahlungen an das Ischler Personal auszahlen, da diesem Zulagen bei der Anwesenheit des Hofes zugestanden wären und er nicht wollte, dass seine Angestellten wegen seiner Abwesenheit finanzielle Einbußen erleiden sollten. Als Franz Joseph 1916 starb, erbte seine jüngste Tochter Marie Valérie, den Bad Ischler Besitz. Sie war mit Erzherzog Franz Salvator aus der toskanischen Linie der Habsburger verheiratet. Nachdem in Österreich 1918 die Republik ausgerufen worden war, verzichteten beide auf jeden Thronanspruch. Die Kaiservilla war stets Privateigentum des Kaisers bzw. seiner Mutter und wurde aus dem kaiserlichen Privatvermögen unterhalten. Lediglich offizielle Anlässe wie Empfänge und Staatsbesuche wurden vom Staat finanziert. Sie wurde daher im Gegensatz zu den meisten anderen Schlössern des Kaiserhauses nicht enteignet. Sie ist als einziger der vom Kaiser häufig benutzten Schlossbauten auch heute noch im Besitz der Familie. Derzeitiger Eigentümer ist der Urenkel Kaiser Franz Josephs, Erzherzog Mag. Markus Salvator von Habsburg-Lothringen.

Die Kaiservilla liegt abseits vom Ortszentrum am nördlichen Stadtrand, jenseits des Ischl-Flusses. Der zweigeschossige Bau ist eine seltsame Mischung verschiedener Stilrichtungen. Unübersehbar ist der Einfluss Palladios. Als Grundriss hat die Villa den Buchstaben „E“ (für Elisabeth). Dominiert wird die Anlage vom vorspringenden Mittelteil mit seinem großen Balkon. In ihm steckt die Biedermeiervilla des Notars Dr. Eltz. Der siebenachsige Zentralbau wird von einem breiten Ziergiebel gekrönt, der auf vier schlanken klassizistischen Säulen ruht. Im Giebelfeld sind Reliefs mit Jagdmotiven zu sehen. Durch diesen neoklassizistischen Säulenportikus erinnert er an einen griechischen Tempel. Die später angebauten Seitenflügel enden ebenfalls in vorspringenden, von Giebeln abgeschlossenen Armen. Auch ihre Giebel sind mit Jagdszenen geschmückt. Die beiden Außenflügel sind an ihrer Vorderseite mit dem Mittelbau durch offene Säulengänge verbunden, wodurch zwei Höfe gebildet werden. Gegenüber der Auffahrtsrampe liegt vor dem Mitteltrakt ein figurenreicher neobarocker Springbrunnen aus weißem Marmor, der spielenden Putten zeigt. Er wurde 1881 vom Wiener Bildhauer Viktor Tilgner geschaffen. Die im Rasen aufgestellte Figur „der Lauscher“ ist ein Geschenk der englischen Königin an Kaiserin Elisabeth. Die Villa ist vom ausgedehnten und äußerst gepflegten Kaiserpark, einem Landschaftspark mit zahlreichen einheimischen und exotischen Pflanzen, umgeben. Er reichte bis zum Jainzen, dem ehemaligen Jagdrevier Kaiser Franz Josephs. Vor den Kaiserzimmern war ein großes Teppichbeet angelegt, das einen aus Tausenden Blumen gestalteten Doppeladler zeigte. Er hat das Ende der Monarchie leider nicht überlebt. Die romantischen Parkbauten, wie die Gloriette und das achteckige Spiegellusthaus sind noch erhalten. Auf Wunsch der Kaiserin Elisabeth wurde zwischen 1856 und 1861 im Park durch den Hofgärtner Franz Rauch ein Cottage aus rotem Untersberger Marmor im Tudorstil errichtet. In diesem als Teehaus gedachten und später „Marmorschlössel“ genannten Gebäude wurde 1926 von der Wiener Molkerei ein „Milch- und Kaffeehaus“ eingerichtet. Heute ist hier ein Fotomuseum untergebracht, das u. a. zahlreiche Fotos und Platten aus dem Privatbesitz der Habsburgerfamilie zeigt .

Betritt man die Kaiservilla, so gelangt man über das Vestibül und das großzügige Stiegenhaus in die elegant, aber relativ einfach eingerichteten Wohnräume des ersten Stocks. Sie wirkten gemütlich, waren aber, wie es dem Stil der Zeit entsprach, mit Einrichtungs- und Ziergegenständen überladen. Möbel und Gemälde stammen größtenteils aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die hier befindlichen Salons dienten nach dem Umbau vorwiegend für Empfänge, wurden aber auch von der Familie verwendet. So war der an der Parkseite gelegene Graue Salon für Konferenzen mit Regierungsmitgliedern gedacht, diente dem Kaiser aber auch als Frühstücksraum. Der dem Ort zugewandte Rote Salon war der Empfangsraum für offizielle Besuche. Neben dem Grauen Salon liegt die kleine Hauskapelle mit dem Barockaltar Kaiser Ferdinands III. Sie wird noch heute von der Familie für Trauungen und Taufen benützt. Die Villa hatte keine Küche. Die Speisen mussten von den Wirtschaftsgebäuden herauf getragen werden. Im Osttrakt befanden sich die Privaträume der Kaiserin sowie jene ihrer Kinder. Sie wurden nach Elisabeths Tod neu möbliert und sind nicht zu besichtigen, da sie dem heutigen Besitzer als Wohnung dienen. Der Westtrakt war für den Kaiser vorgesehen. Hier befand sich sein Arbeitszimmer, in dem Franz Joseph täglich ab 04.15 tätig war, sofern er sich nicht auf der Jagd befand. Sein anschließendes Schlafzimmer ist wie jenes in Schönbrunn betont einfach gehalten. In der Eingangshalle fand 1908 eines der wenigen Staatsbanketts, die in der Kaiservilla inszeniert wurden, zu Ehren des englischen Königs Edward VII statt. Ansonsten wurden größere offizielle Veranstaltungen im Kurhaus oder in den renommierten Hotels der Stadt abgehalten. Viele Räume der Villa sind mit Jagdtrophäen geschmückt, die in die Tausende gehen. Im Jagdzimmer steht ausgestopft die vom Kaiser erlegte zweitausendste Gams.

Lage: Oberösterreich/Salzkammergut – ca. 30 km südwestlich von Gmunden

Besichtigung: vom 1. Mai bis 14. Oktober täglich von 09.30 bis 17.00 mit Führung, im Winterhalbjahr jeden Mittwoch von 10.00 bis 16.00

Homepage: www.kaiservilla.at


Weitere Literatur:


26.05.2009