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Judenau


Um 1110 besaßen die Grafen von Radelberg zwei Weingärten in Judenau. Die ehemalige Burg wurde 1270 mit Ritter Wolfker von Judenau erstmals urkundlich erwähnt. Die Ritter Grabner, die bereits 1300 Besitz im nahe gelegenen Zöfing erworben hatten, nannten sich seit 1342 Grabner von Judenau. In der Folge wurde die Herrschaft mehrfach weiter vererbt. 1529 zerstörten türkische Streifscharen die alte Wasserburg, doch ließ sie der neue Besitzer, Helmhard Jörger, 1589 als wohnlicheres Schloß neu errichten. Bereits im nächsten Jahr fiel es aber, wie viele Bauten in Niederösterreich, einem schweren Erdbeben zum Opfer. Nachdem die Schäden behoben waren, verkaufte Georg Wilhelm Jörger Judenau an den Hofkriegsrat Georg Andrä von Hofkirchen. Auch er konnte sich nicht lange seines Schlosses erfreuen, da er 1619 wegen seiner führenden Teilnahme an einem Adelsaufstand geächtet und seine Besitzungen eingezogen wurden. Judenau kam als Pfand an die Khuen von Neulengbach. 1623 kaufte Freiherr Karl von Herberstein vom Staat die Herrschaft. Wegen Steuerschulden wurde sie neuerlich eingezogen und kurzfristig mehrfach verpfändet. Ab 1631 waren die Grafen Verdenberg Schlossherren in Judenau. Sie waren die Bauherren der heutigen Anlage, die zwischen 1665 und 1675 entstand. Im Zuge der Zweiten Türkenbelagerung Wiens wurde das Gebäude 1683 wieder verwüstet. 1689 erwarb es Johann Heinrich Graf von Dünnewald. 1701 kaufte Fürst Johann Andre von Liechtenstein die Herrschaft. In der Folge kam es zu einer kurzen Glanzperiode des Schlosses. Die Kirche wurde ausgebaut, die Mariensäule errichtet und das Spital – ein Altersheim für 8 Personen – gegründet. Dieser Bau wurde 1782 einem Eremitenorden als Kapitelhaus zur Verfügung gestellt. 1857 verkauften die Fürsten das Schloß an den Niederösterreichischen Waisenfonds. Die Schulschwestern richteten in ihm eine Volksschule ein. 1938 wurden die Schwestern vertrieben, das Schloß wurde 1942 ein deutsches und 1945 ein russisches Kriegslazarett. Danach diente das bereits arg vernachlässigte Gebäude wieder sozialen Zwecken (Haushaltungsschule, Flüchtlingsheim, Schule). Seit 1961 führt hier die Organisation „Rettet das Kind“ ein Internat und einen Kindergarten. Das Schloß wurde vom Land Niederösterreich zwischen 1982 und 1997 umfassend restauriert und 1994 „Rettet das Kind“ geschenkt.

Die malerische Anlage umfasst das Schloß, die Kirche und die Gebäude eines äußeren Vorhofes. Dieser wird im Nordwesten und Süden durch Renaissance-Torbögen abgeschlossen, die das Liechtenstein’sche Wappen aus dem 19. Jh. tragen. Durch diese Bögen führt die Landesstraße an der Mariensäule von 1726 in der Hofmitte vorbei. An der West- und Nordseite des Vorhofes befinden sich verschiedene Wirtschaftsgebäude, wie der große Meierhof, der bereits auf einem Vischer-Stich von 1672 abgebildet ist. Daneben liegt das sog. „Spital“. Links neben dem Hauptgebäude befindet sich das über 300 Jahre alte Kapuzinerstöckel, das heute als Verwaltungsgebäude dient. Die frühere Schloß- und heutige Pfarrkirche wurde 1591 auf dem damaligen Burgwall errichtet. Sie ist durch einen Bogengang mit dem Schloß verbunden. Judenau war eine Wasserburg, die an drei Seiten von einem 6 m tiefen Wassergraben umgeben war, während an der Rückseite des Schlosses die Tulln vorbeifloß. Der ca. 20 m breite Graben wird im Vorhof von einer steinernen Pfeilerbrücke überspannt, die mit drei Bogen zum großen Portal führt. In den Nischen beiderseits des Tores sowie darüber im Obergeschoß standen einst Figuren, die aber längst verschwunden sind. Über dem Portal betonte um 1835 ein Dreiecksgiebel mit Uhr die Gebäudemitte. Heute befindet sich hier eine Attika mit einem, von Frauenfiguren gehaltenen steinernen Allianzwappen. Das Schloß wirkt durch seine vier runden Ecktürme wie ein massiger Vierflügelbau. Tatsächlich ist es hufeisenförmig angelegt. Die Ostseite des Hofes wird bis auf einen kleinen Gebäudestumpf nur durch eine schmale Gartenmauer begrenzt. In den vorderen Hofecken sind zwei Stiegenhäuser in den Hof hinausgebaut. Die im 19. Jh. veränderte Außenfront des Schlosses ist dreigeschossig, die Hofseiten sind zweigeschossig. Drei der vier Rundtürme, die die Flügeln um ein Stockwerk überragen, tragen barocke Glockenhelme, während der vierte ein Flachdach aufweist. Auf Grund der wechselvollen Geschichte des Schlosses ist von der ursprünglichen Inneneinrichtung praktisch nichts erhalten.

Lage: Niederösterreich/Tullnerfeld – inmitten des gleichnamigen Ortes

Besichtigung: Das Schloß kann nur von außen besichtigt werden.


Weitere Literatur:


24.08.2002