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Ferklehen


Der etwas eigenartig anmutende Name ist leicht erklärt. Er bedeutet soviel wie Lehen des Fergen (Fährmannes). Der Lehensinhaber hatte das Recht, eine jahrhundertelang bestehende Überfuhr über den Inn zu betreiben und dafür Maut einzuheben. Als man 1482 die Innbrücke bei Zirl errichtete, wurden die bisherigen Fährleute mit der Einhebung des Brückenzolls betraut. Dafür mussten sie für die Erhaltung der Brücke sorgen. Diese Maut war so ertragreich, dass Hauptmann Andreas Dum sich im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts ein stattliches gotisches Schlösschen errichten konnte. Dieses wurde 1545 erstmals erwähnt, als es zum Adelssitz erhoben wurde. 1552 wurde Ferklehen von den Truppen des Kurfürsten Moritz von Sachsen, die in das Inntal eingefallen waren, geplündert. Erzherzog Ferdinand II von Tirol kaufte 1573 den Ansitz für seine Gattin Philippine Welser, der er als Stützpunkt für ihre Jagden und Falkenbeizen diente. Nach einigen Jahren übergab sie ihn der Hofkammer. Auch die folgenden Landesfürsten benützten ihn häufig als Jagdschloss. Erzherzog Ferdinand Karl (1628 – 1662) schenkte das Schlösschen seinem Oberforstmeister, der es aber bald wieder verkaufte. Im Spanischen Erbfolgekrieg, der in Tirol als „boarischer Rummel“ besser bekannt ist, wurde 1703 Ferklehen, wie auch die umliegenden Dörfer, von bayerischen Truppen niedergebrannt. Diese Tat, die heute von europäischen Gerichtshöfen als Kriegsverbrechen geahndet würde, war die Revanche dafür, dass ein Tiroler Schütze im Gebiet von Ranggen den Adjutanten des Kurfürsten Max Emanuel erschossen hatte, da er ihn für den Kurfürsten selbst gehalten hatte. Damals gehörte Ferklehen dem Tiroler Hofsekretär Franz Virgil von Reinhart. Er baute nach Kriegsende das Schlösschen im Barockstil wieder auf und legte eine Musterlandwirtschaft an. Die Familie Reinhart besaß das Gebäude von 1699 bis 1853. Ihre Mitglieder waren meist hohe Beamte in Innsbruck und Wien, so Ignaz Freiherr von Reinhart zu Thurnfels und Ferklehen (1782 – 1843), der zeitweise das k. k. Geheime Hausarchiv, einen Vorläufer des heutigen Staatsarchives leitete. Auf die Reinhart folgte 1853 die Familie von Vintler. Sie saß hier bis 1920. Seit Jahrzehnten gehört Ferklehen nun der Familie Schreckenthal, die 1978 eine Generalrenovierung durchführen ließ.

Der von einer Mauer umgebene Ansitz liegt westlich von Unterperfuß am südlichen Rand des Inntales. Es ist ein im Kern spätgotischer Bau, der im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts barockisiert wurde. Das dreigeschossige Gebäude ist mit einem flachen Krüppelwalmdach gedeckt. In der Mittelachse der Ostfront springt ein sich stufenförmig verjüngernder, achteckiger Turm zur Hälfte vor. Er trägt eine zwiebelförmige, mit Holzschindeln gedeckte Haube und darüber eine kleine Laterne. Sein Inneres wird durch schmale Kreuzscharten und etwas größere Rundfenster beleuchtet. An der Ostseite des Gebäudes befindet sich auch das Hauptportal. 1935 wurde daneben der Grabstein des Bauherrn Andreas Dum mit seinem verwitterten Familienwappen eingesetzt. Die dazugehörige Inschrift zeigt die Jahreszahl 1559. In der Südostecke der Umfassungsmauer liegt die turmartige Schlosskapelle. Sie ist ein freistehender zweigeschossiger Bau, der an seiner Ostseite mit einer riesigen aufgemalten Sonnenuhr verziert ist. Das Fresko der Flachdecke im Untergeschoß zeigt ein Schutzengelmotiv. Es stammt aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Das tonnengewölbte Obergeschoß ist mit einem Maria-Hilf Bild vom Ende des 18. Jahrhunderts geschmückt. Im Wohnbereich haben sich an einzelnen Fenstern noch die gotischen Läden erhalten. Im Nordwesten der Anlage befinden sich niedrige Wirtschaftsgebäude mit dem Rest eines eingebauten Rundturmes. Im Südwesten steht ein zum Teil abgetragener ehemaliger Wehrturm. Dass es einst einen unterirdischen Gang gegeben haben soll, der Ferklehen mit der Burg Fragenstein auf der anderen Seite des Inns verband, gehört in den Bereich der Sagen. Eine solche bergmännische Leistung wäre nicht möglich, aber auch nicht sinnvoll gewesen.

Lage: Tirol/Oberinntal – ca. 10 km westlich von Innsbruck

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


27.03.2009