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Oberwaltersdorf


In einer Schenkungsurkunde des Stiftes Göttweig aus dem Jahr 1108 wird erstmals „Waltrichisdorf“ erwähnt. Außer Göttweig waren im 12. und 13. Jahrhundert hier auch die Stifte Heiligenkreuz und St. Pölten sowie der Landesfürst begütert. 1234 verpfändete Herzog Friedrich II seinen Hof dem Berthold von Eckartsau. Da sich keiner der Pächter und Pfandinhaber im Mittelalter nach Waltersdorf nannte, dürfte es sich damals um ein einfaches Bauerngut gehandelt haben. Immerhin gehörten zu den späteren Besitzern bekannte Adelsfamilien, wie die Ebersdorfer, die Grafen von St. Georgen und Bösing sowie die Liechtensteiner. Allerdings diente es ihnen kaum als Wohnsitz sondern lediglich als Verwaltungszentrum eines Gutsbetriebes. 1628 erwarb Johann Balthasar I von Hoyos das heutige Oberwaltersdorf. Es ging 1665 an die Familie Heussenstein über. Franz Graf von Heussenstein verkaufte 1732 die mittlerweile stark vergrößerte Herrschaft an das Stift Heiligenkreuz, das es 1768 der Maria Anna von Schulenburg-Oeynhausen verkaufte. Sie ist als Gründerin des Ortes Oeynhausen bekannt, der zur Herrschaft Oberwaltersdorf gehörte. Die nächsten Eigentümer waren die Familie Bothendorf, Gutmannsthal und Trauttmansdorff. 1898 verkaufte Karl Fürst von und zu Trauttmansdorff-Weinsberg Gut und Schloss an Prinz Alexander und Prinzessin Esperance zu Solms-Braunfels. Es folgte eine Blütezeit des Schlosses. Oberwaltersdorf wurde zu einem gesellschaftlichen Treffpunkt des Adels. 1920 erwarb der aus Ungarn stammende Oskar Willheim den Besitz. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das unbewohnte Schloss ausgeplündert und so devastiert, dass man seinen Abriss überlegte. Willheim sorgte aber dafür, dass es nicht vollends zur Ruine wurde. Ab 1984 konnten ernsthafte Restaurierungsarbeiten erfolgen. 1994 kaufte der austro-kanadische Großindustrielle Frank Stronach vom damaligen Eigentümer Wilfried Schnedl das Schloss mit allen Nebengebäuden und dem ausgedehnten Grundbesitz. Er ließ das Hauptgebäude vorzüglich renovieren und als privaten Wohnsitz ausstatten. Der alte Gutshof und die Brennerei wurden jedoch abgerissen und an ihrer Stelle ein Bürogebäude für die Europazentrale des Magna-Konzerns errichtet. In unmittelbarer Nähe entstanden nach amerikanischem Muster die Wohnsiedlung Fontana sowie ein 18-Loch-Golfplatz.

Das von einem großen Park und einer hohen Mauer umgeben Schloss liegt nahe dem Ortszentrum und der Pfarrkirche von Oberwaltersdorf. Es war einst ein von Wassergräben umgebenes Gehöft, das in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts von Otto Graf von Heussenstein aufwändig ausgebaut wurde. Auf einem Stich von Georg Matthäus Vischer aus dem Jahr 1672 wird es als stattliches Wasserschloss mit mehreren Türmen dargestellt. Bei Umbauten in den Jahren 1715 und 1770 verlor es seine Wehrhaftigkeit und erhielt weitgehend sein heutiges Aussehen. Die Wassergräben wurden zugeschüttet und der Park neu angelegt. Der dreigeschossige Bau hat einen rechteckigen Grundriss. Seine vier Flügel umschließen einen ebenfalls rechteckigen Hof. Das Schloss wird von einem mächtigen runden Eckturm im Südosten und dem quadratischen Turm im Norden überragt. Letzterer ist wohl ein Nachfolger des einstigen Bergfrieds. Der ehemals dreigeschossige Rundturm wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts um zwei schmäler werdende Stockwerke erhöht. Sein Flachdach ist von einem einfachen Schmiedeeisengitter begrenzt. Seine Fassade ist bis zur Traufe des anschließenden Wohntraktes mit einer Putzquaderung versehen. Auffallend sind die stark vortretenden Kranzgesimse, die die einzelnen Geschosse trennen.

Ebenfalls putzgequadert ist der bergfriedartige Turm. Seine Eckquaderung ist vielleicht original – im Gegensatz zu seinen großen Rundbogenfenstern und den Türmchen auf dem Flachdach, bei denen es sich wohl um Zutaten aus dem 19. Jahrhundert handelt. Die Fassaden des Schlosses wurden um die Mitte des 19. Jahrhunderts spätklassizistisch verändert. Sie werden durch starke Gesimse horizontal gegliedert. Die Fenster- und Türöffnungen sind mit einer grob gequaderten Rahmung versehen. An einer Ecke der Ostfront liegt als Rest des ehemaligen viergeschossigen Torturmes ein zurückspringender einachsiger Torbau mit einem Balkon über der Einfahrt. Die daneben angebrachten Wappenreliefs beziehen sich auf Carl Pacheleb und seine Gattin Anna, die 1580 Schlossbesitzer waren. Die Hoffassaden sind betont schlicht gehalten. Vor der Südfront führt eine zweiläufige Freitreppe in den Garten. Sie dürfte aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammen, als das Schloss barock umgestaltet wurde. Die Innenausstattung ist völlig erneuert. Lediglich die 1736 umgebaute und neu ausgestattete Kapelle verfügt noch über ihren ursprünglichen Bandlwerkstuck. Auch ihre Wand- und Deckenbilder konnten erhalten werden. Sie zeigen die Muttergottes sowie zwei Heilige und zahlreiche Engel.

Lage: Niederösterreich/Wiener Becken – ca. 8 km ostsüdöstlich von Baden

Besichtigung: nicht möglich


Weitere Literatur:


22.12.2008