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Möllersdorf


Im Salbuch des Stiftes Klosterneuburg wird bereits 1110 ein Ondelscalcus de Modelanesdorf als Zeuge erwähnt. Die Herren von Möllersdorf waren Ministeriale der Babenberger, die um die Wende des 12. zum 13. Jahrhundert recht bedeutend waren. So übte Leopold von Möllersdorf um 1229 das Amt eines Mundschenks des Herzogs Leopold VI aus. Wie lange ihr Edelsitz, der wohl zu Beginn des 12. Jahrhunderts errichtet worden war, bestanden hatte, ist nicht bekannt. Im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts war Möllersdorf landesfürstlich und als Lehen an Marx Beck von Leopoldsdorf vergeben. 1531 erhielt er es als freies Eigen. Auf dem Hof saßen aber meist bäuerliche Pächter. Als mit der endgültigen Vertreibung der Türken nach 1683 der ausbrechende Bauboom auch Möllersdorf erfasste, erwarb der kaiserlichen Kämmerer Thomas Zachäus Graf Czernin 1688 die Liegenschaft vom Postmeister Johann Saar. Grund für den Erwerb war wohl die Nähe zur kaiserlichen Sommerresidenz Laxenburg. Er ließ ein kleines Schloss erbauen und einen Garten anlegen. Graf Czernin starb bereits 1700 im Alter von nur 39 Jahren. Seine Witwe verkaufte den Besitz an den Fürsten von Siebenbürgen Michael II Apafi. Da dieser zuvor mit den Türken kooperiert hatte, musste er auf Siebenbürgen verzichten, bekam aber vom Kaiser eine jährliche Pension. Er besaß Möllersdorf aber nur kurze Zeit und verkaufte es um den halben Kaufpreis an Hieronymus Freiherr von Scalvinoni, einem hohen Beamten am Kaiserhof. Sein Sohn Franz Christoph veräußerte das Gut 1723 an Reichsgraf Viktor von Philippi. Er war Diplomat, aber auch Generaladjutant des Prinzen Eugen und brachte es bis zum Generalfeldmarschall. Schloss Möllersdorf wurde in seinem Auftrag weitgehend erneuert. Es gelang ihm auch das bisherige Lehen abzulösen und besaß die Herrschaft bald als freies Eigen. Carl Alexander Herzog von Lothringen war ein Bruder des Kaisers Franz Stephan von Lothringen. Er war mit Maria Anna, einer Schwester der Kaiserin Maria Theresias verheiratet. Als Oberbefehlshaber der österreichischen Truppen im Schlesischen Krieg war er eher glücklos. Er kaufte aus dem Nachlass des Grafen Philippi das Schlössl und ließ es neu ausstatten. Damals beherbergte es oft Mitglieder des Kaiserhauses als Jagdgäste. Der Hausherr hielt sich aber nur selten hier auf, da er als Statthalter der Niederlande meist in Brüssel residierte.

Sein Universalerbe war Kaiser Joseph II, womit der Abstieg des Schlosses begann. Er hatte mit der Erbschaft offenbar wenig Freude, da er das meiste versteigern und verkaufen ließ. Möllersdorf übergab er 1780 dem Militär zur Einrichtung eines Lazaretts für den benachbarten Truppenübungsplatz bei Münchendorf. In den Jahren 1823 bis 1864 erfüllte das Schloss diese Funktion allerdings nur in der wärmeren Jahreszeit, da es kaum beheizbar war. Im Winter wurde es jeweils wieder als Kaserne benutzt. 1873 kamen für das Schloss noch schlechtere Zeiten. Es wurde Militärstrafanstalt. Zu diesem Zweck wurde der größte Teil des Haupthauses in Zellen aufgeteilt. Später benützte man zur Unterbringung der Gefangenen auch das ehemalige Glashaus (!) sowie verschiedene Nebengebäude. Insgesamt konnte man in Möllersdorf in Friedenszeiten jeweils zwischen 100 und 200 Insassen unterbringen. Während des ersten Weltkrieges waren es wesentlich mehr. Zu den prominentesten Häftlingen zählten fünf am Attentat auf den Thronfolger Franz Ferdinand beteiligte Bosnier, aber auch der Abgeordnete zum Reichsrat Dr. Karl Kramar, der nach Kriegsende erster Ministerpräsident der Tschechoslowakischen Republik wurde. Oberleutnant Adolf Hofrichter, der versucht hatte, seine Konkurrenten für einen Generalstabskurs zu vergiften und dafür zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde, wurde nach Kriegsende sogar als Vertragsbediensteter in der Militär-Strafanstalt Möllersdorf angestellt. 1920 wurde Schloss Möllersdorf in eine zivile Haftanstalt für Männer umgewandelt, die bis 1925 bestand. 1927 kaufte die Stadtgemeinde Traiskirchen den bereits stark desolaten Bau und adaptierte ihn als Wohnhaus. Zwischen 1970 und 1999 wurden alle Nebengebäude abgerissen. Im Jahr 2000 war das Hauptgebäude neuerlich stark reparaturbedürftig. Nach Absiedlung der letzten Mieter wurde es aufwändig restauriert und beherbergt seit 2004 einen Landeskindergarten.

Möllersdorf ist heute ein Ortsteil der Stadt Traiskirchen. Das ehemalige Schloss liegt am linken Ufer des Mühlbaches inmitten eines Wohngebietes. Es ist ein zweigeschossiger kubischer Bau. Sein extrem hohes Walmdach ist ausgebaut und mit zahlreichen Dachhäuschen bestückt. Die Gestaltung der in rosa und weiß gehaltenen Fassaden stammt aus dem 18. Jahrhundert. Sie werden durch kräftige genutete Pilaster gegliedert. Die dazwischen liegenden Rechteckfenster sind durchwegs erneuert. Die elfachsige Hauptfront wird durch einen, um eine Fensterachse vortretenden, fünfachsigen Mittelrisalit betont. Dieser war ursprünglich als gedeckte Wagenauffahrt konzipiert. Er trägt ein abgewalmtes Vordach. Die Erdgeschoßfenster des Mittelrisalits werden von hohen Blendbögen eingefasst. Diese waren einst offen, wurden später zugemauert und bei der letzten Restaurierung wieder geöffnet und verglast. Der Eingang zum Kindergarten befindet sich heute an der gegenüberliegenden Seite. Die darüber befindliche barocke Sonnenuhr war bereits fast unkenntlich, konnte aber wieder restauriert werden. Das Innere wurde für die wechselnden Verwendungszwecke des Schlosses mehrfach umgebaut und weist fast keine historischen oder künstlerischen Merkmale mehr auf. Lediglich in einem Zimmer hat sich ein Deckenfresko erhalten, das einige Bewohner des griechischen Götterhimmels zeigt. In der Eingangshalle ist eine Steinplastik mit dem Philippi-Wappen zu sehen. Sie stand bis zum 1970 erfolgten Abriss auf einem Torbogen des ehemaligen Wirtschaftshofes. Zur Zeit seiner Verwendung als Strafanstalt war das Gebäude von einer fünf Meter hohen Mauer umgeben. Diese wurde, als sich das Gefängnis zum Wohnhaus wandelte, wieder entfernt.

Lage: Niederösterreich/Bezirk Baden – ca. 4 km nordöstlich von Baden

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


28.11.2008