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Thürnthal


Schloß Thürnthal zählte einst mit seiner kostbaren Ausstattung zu den bedeutendsten barocken Baudenkmälern Niederösterreichs. Heute ist es baulich in einem äußerst schlechten Zustand und seine weitere Zukunft ist fraglich. Schon im 13. Jh. wird ein Conrad von Turrenthal erwähnt, doch dann gibt es drei Jahrhunderte lang keine urkundlichen Hinweise auf Burg und Besitzer. 1575 wurde die alte Anlage unter Hartmann von Trautmannsdorf in ein Renaissanceschloß umgebaut. Zu den weiteren Besitzern zählten im 16. und 17. Jh. Richard Streun von Schwarzenau (1579), Anton Freiherr von Puechheim (1581), die Freiherren von Stadl (1607), die Freiherren von Lamberg (1657) und die Freiherren von Schallenberg (1659). Ein Brand richtete 1679 große Schäden an. 1698 erwarb der kaiserliche Kämmerer Wenzel Adrian Wilhelm Graf von Enckevoirt die Herrschaft. Er ließ das Gebäude um 1720 möglicherweise nach Plänen von Josef Emanuel Fischer von Erlach erneuern. Es wurde im Inneren jedoch nie fertiggestellt. Sowohl der Festsaal und die anschließenden Repräsentationsräume als auch die Hauptstiege blieben unvollendet. Auch das oberste Geschoß wurde nicht ausgebaut. Von 1761 bis 1865 gehörte Thürnthal der Familie von Stettner. Mit der Auflösung der Grundherrschaft 1849 begann der Niedergang des Schlosses. Es wurde vorwiegend für Wirtschaftszwecke genutzt. So war ab 1870 die Thürnthaler Zuckerfabrik hier untergebracht. 1876 gehörte es der Prager Maschinenbau AG. Danach war es Stärke- und später Seifenfabrik. Im Jahre 1910 erwarb ein Mitglied der Industriellenfamilie Bunzl das Gebäude, um es abreissen und verwerten zu lassen. Dies unterblieb jedoch. Lediglich einige barocke Sandsteinfiguren aus dem bereits verwilderten Park wurden an Max Reinhardt verkauft, der sie in seinem Schloß Leopoldskron aufstellen ließ. Das 1938 enteignete Schloß sollte als Jagdsitz für den Reichsjägermeister Göring adaptiert werden. Die Restaurierungsarbeiten beschränkten sich jedoch auf die Sanierung einiger, mythologische Szenen darstellende Stuckdecken. Dann wurden französische Kriegsgefangene einquartiert, die in der Umgebung arbeiten mussten. Schließlich wurde Thürnthal als Bergungsort für enteignete Kunstgüter bestimmt. So lagerten hier bis 1945 bedeutende Werke aus den Sammlungen Rothschild, Bondi, Gutmann und Lederer, darunter der Beethovenfries von Gustav Klimt und Gemälde von Schiele und Makart. Aber auch die Engelssturzgruppe vom Vorbau der Michaelerkirche konnte hier den Bombardements in Wien entgehen. 1950 wurde Thürnthal den rechtmäßigen Eigentümern wieder übergeben, die es bald verkauften. Obwohl das Schloß stets Mittelpunkt eines landwirtschaftlichen Großbetriebes war, konnte oder wollte keiner der späteren Besitzer das bereits sehr desolate Schloß restaurieren, so dass es immer weiter verfiel und zahlreiche Kunstgegenstände verschwanden. Aus öffentlichen Mitteln wurde in den 80er Jahren das Dach instand gesetzt. Seit 1998 bemüht sich der jetzige Eigentümer Mag. DI Gerhard Zehethofer zumindest die größten Schäden zu beheben.

Das würfelförmige, viergeschossige Schloß liegt in einem 8.000 m² großen Park. Vor dem Gebäude liegt ein barockes Brunnenbecken, aus dem einst eine bis zu 10 m hohe Fontäne emporstieg. Das Schloß ist noch teilweise von einem trockenen Graben umgeben, der bis 1998 zur Wildschweinzucht verwendet wurde. Er wird von einer Steinbrücke überspannt, an deren Stelle sich einmal eine Zugbrücke befand. Die beiden Sphingen, die den Zugang bewachten, wurden 1912/13 verkauft. Vier gleich lange Flügel umgeben einen quadratischen Innenhof. Schauseite ist die 9-achsige Ostfront mit ihrer kräftigen Wandgliederung. Über der dreischiffigen Portalzone liegt ein Balkon mit einem frühklassizistischen Ballustradengitter. Dahinter sind vier korinthische Säulen über die beiden oberen Stockwerke bis zur Dachzone hochgezogen. Der darüber befindliche Giebel ist mit einem Wappen und Plastiken aus dem Jahr 1780 geziert. Die hohen Fenster des Mittelrisalites, hinter dem der zweigeschossige Festsaal liegt, sind vermauert. Über dem Mittelfenster ist das Allianzwappen Wenzels von Enkevoirt und seiner Gemahlin angebracht. Die Seitenachsen sowie die übrigen Fronten sind durch Kordongesimse horizontal gegliedert. Die Fassadenbemalung in weiß, blassrosa und gelb ist längst nicht mehr erkennbar. Bemerkenswert ist die große, von vier Säulen gestützte Einfahrtshalle mit schönem Deckenstuck von 1720. Aus dem gleichen Jahr stammen auch die Stuckarbeiten der barocken Kapelle gegenüber der Eingangshalle. In ihr befand sich ein Altarbild von Franz Anton Maulbertsch, Maria Verkündigung darstellend. Es wurde 1953 durch eine Kopie ersetzt, während das Original seit damals in der Österreichischen Galerie im Belvedere aufbewahrt wird. Die Innenräume des Schlosses sind zum Teil stark devastiert. Sie wurden noch in den 90er Jahren des 20. Jh. als Getreidespeicher verwendet. Lediglich die reiche, Santino Bussi zugeschriebene, Stuckausstattung von 1725 hat sich erhalten. Die meisten der barocken Kachelöfen wurden verkauft oder zerstört. Links vom Schloß befinden sich umfangreiche Wirtschaftsgebäude aus dem 18. Jh.

Lage: Niederösterreich/Weinviertel – inmitten des gleichnamigen Ortes bei Fels am Wagram

Besichtigung: nur mehr von außen möglich

Homepage: www.schlossthuernthal.at


Weitere Literatur:


20.09.2002