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Wien - Hofburg/Stallburg


Noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts befand sich auf dem Gelände der Stallburg eine Ansammlung von Speichern, Ställen und Wirtschaftsgebäuden der landesfürstlichen Burg. Diese wenig gepflegten Nebengebäude wurden im Volksmund „Stadlburg“ genannt. An der Stelle der späteren Hofapotheke stand die spätgotische „Öde Kirche“ (St. Pauls Kirche), die um 1470 unter Kaiser Friedrich III errichtet, aber wohl nie ganz fertiggestellt worden war. Baumeister Jörg Kölderer überlegte hier das Grabmal für Kaiser Maximilian I aufzustellen, fand den Platz aber dann doch nicht dafür geeignet. 1541 wurde in ihr eine Harnischkammer eingerichtet, zehn Jahre später diente sie als Getreidespeicher. Kaiser Ferdinand I ließ die Gebäude 1558 schleifen und an ihrer Stelle einen Palast für seinen aus Italien zurückgekehrten Sohn, Erzherzog Maximilian, dem späteren Kaiser Maximilian II und dessen beträchtliche Hofhaltung errichten. Maximilian wurde von seinem Vater schon relativ früh auf sein späteres Amt als Kaiser vorbereitet und zu staatspolitischen Entscheidungen beigezogen. Der Architekt des Palastes ist unbekannt, es muss sich jedoch um einen italienischen Künstler gehandelt haben. Die Finanzierung des Baues erfolgte weitgehend aus schlesischen und böhmischen Steuergeldern, doch reichten diese nicht aus, so dass sich die Bauarbeiten immer wieder verzögerten. Maurer und Zimmerleute weigerten sich zeitweise weiter zu arbeiten, da sie bereits längere Zeit nicht entlohnt worden waren. Aus den lange unbezahlt gebliebenen Rechnungen ersieht man, dass u. a. die Steinmetzmeister Bartlmä Bethan und Anton Pozzo hier tätig waren. Der Palast war noch nicht ganz fertiggestellt, als Ferdinand 1564 starb.

Maximilian verzichtete auf den für ihn bestimmten Wohnsitz und zog in die alte Hofburg, den heutigen Schweizertrakt. Der letzte Stock und das Dach der Stallburg wurden erst 1564/66 aufgesetzt. Ein Verbindungsgang in den Lustgarten war 1568 immer noch nicht unter Dach, so dass bereits erste Bauschäden auftraten. Erst 1569 konnten die Bauarbeiten abgeschlossen werden. Die schlampige und zögerliche Bauführung führte dazu, dass das Dach des Gebäudes bereits 1577 baufällig war. Der neue Palast wurde nun als „Neues Hofstallgebäude“ bezeichnet, da in ihm die Kutschen und Pferde des Hofes untergebracht wurden. 1578 und 1608 nutzten die Jesuiten den prachtvollen Innenhof, um darin Theater zu spielen. 1598 befand sich im obersten Geschoß der Stallburg eine Harnischkammer, deren Inhalt durch das noch nicht abgedichtete Dach Schaden nahm. Im gleichen Jahr bewohnte Erzherzog Matthias vorübergehend den Palast. Erzherzog Leopold Wilhelm war 1646 zum Statthalter der Spanischen Niederlande ernannt worden. Er lebte neun Jahre in Brüssel und legte sich in dieser Zeit eine umfangreiche Sammlung von Gemälden und Antiquitäten zu. Nach seiner Rückkehr nach Wien ließ er in den Räumen der Stallburg eine große Kunstkammer einrichten, in der nicht nur seine Erwerbungen, sondern auch zahlreiche Gegenstände aus der kaiserlichen Schatzkammer untergebracht wurden. Als Aufstellungsort wählte man u. a. die Arkaden des obersten Stocks, die zu diesem Zweck zugemauert und mit Fenstern versehen wurden. In einem Inventar aus dem Jahr 1659 sind 1397 Gemälde und 542 Statuen aufgeführt. Die Sammlung sollte im 19. Jahrhundert zum Grundstock des Wiener Kunsthistorischen Museums werden.

Der junge Erzherzog Carl Joseph, ein Sohn Kaiser Ferdinands III, bewohnte zur gleichen Zeit eine Zimmerflucht, die repräsentativ ausgestattet war. Er wurde zum Universalerben des 1662 verstorbenen Erzherzog Wilhelms, doch starb er bereits 1664 im Alter von 15 Jahren. Kaiser Leopold I beerbte beide. Als er 1683 nach überstandener Türkenbelagerung nach Wien zurückkehrte, musste er vorerst in der Stallburg residieren, da die Hofburg bei den Kämpfen schwer beschädigt worden war und erst restauriert werden musste. Kaiser Karl VI ließ durch seinen Oberstallmeister Graf Dietrichstein die Lipizzaner der Spanischen Hofreitschule im Erdgeschoß der Stallburg unterbringen. Er ließ auch die elf Sammlungsräume zwischen 1718 und 1728 durch Claude Lefort Du Plessis neu ausgestalten. Die reichen Stuckdecken von damals sind nicht mehr erhalten. Bald fand man jedoch, dass sich die Räume nicht als Bildergalerie eigneten, da man für die neu erworbenen großflächigen Rubens-Gemälde keinen Platz mehr hatte und auch die Licht- und Sicherheitsverhältnisse nicht optimal waren. Daher ließ Kaiserin Maria Theresia 1776 die Gemäldegalerie in das Schloss Belvedere übertragen. Schon 1767 war die Ausbildungsstätte der Wiener Edelknaben, die sich seit 1593 mit Unterbrechungen im Gebäude befand, ausgezogen. In ihr hatte der Hofmeister Don Diego de Serrava bereits am Ende des 16. Jahrhunderts den heute als typisch wienerisch angesehenen Handkuss gelehrt. In die frei gewordenen Räume zogen verschiedene Ämter und Institutionen ein. Hier befanden sich die Hofkriegskanzlei und die Verwaltung der Hoftheater. Auch das Oberkämmereramt hatte hier seinen Sitz und mit ihm auch die im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts gegründete Geheime Ziffernkanzlei, die sich mit der Entzifferung ausländischer Depeschen befasste. Unter Metternich war diese Institution als Geheimes Dechiffrierungskabinett berüchtigt. Es wurde 1848 aufgelöst.

Im gleichen Jahr hatte in der Stallburg das Oberkommando der Nationalgarde und der nach dem Scheitern der Revolution hingerichtete Wenzel Messenhauser seine Diensträume. In der südwestlichen Ecke des Erdgeschosses wurde bereits 1744 die Hofapotheke eingerichtet. Im Auftrag Maria Theresias hatte die Hofkammer damals die in der Kärntner Straße gelegene Sterneggsche Apotheke gekauft und sie in die Stallburg übertragen lassen. Die Hofapotheke hatte übrigens Filialen in Schönbrunn und in Laxenburg. Letztere war allerdings nur bei Anwesenheit des Hofes besetzt. Im 19. Jahrhundert wurden immer mehr Räume in Beamtenwohnungen umgewandelt. Um 1843 kam es zu zahlreichen Umbauten. Die Nordwestecke des Gebäudes wurde damals abgeschrägt und die hochbarocke Ausstattung der Räume des zweiten Obergeschosses entfernt. Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Stallburg durch Bombentreffer schwer beschädigt. Die Gebäudeecke zum Josefsplatz stürzte ein, wobei neun Menschen ums Leben kamen. In den Jahren 1947/48 wurde der Bau originalgetreu wiederhergestellt. Damals wurde auch in den Erdgeschoßlauben die Fußgänger-Passage zwischen Stallburg und Hofburg geschaffen. In den Jahren 1956 bis 1960 wurde der Arkadenhof renoviert. Bei dieser Gelegenheit wurden die vermauerten Arkaden wieder freigelegt. Gleichzeitig wurde jenes niedrige Gebäude abgerissen, dass der Bundestheaterverwaltung als Tageskassa diente und den Innenhof verschandelte. 1991 wurde die bereits 1976 privatisierte Hofapotheke geschlossen. Auch die 1967 im zweiten Obergeschoß etablierte Neue Galerie des Kunsthistorischen Museums, die nichtösterreichische Gemälde des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zeigte, musste mittlerweile wieder ausziehen. Eine neuerliche umfangreiche Restaurierung wurde soeben beendet. Zuvor fanden 2004/05 archäologische Ausgrabungen am Gelände des Hofes statt, bei denen Teile der römischen Lagervorstadt von Vindobona sowie eines mittelalterlichen Stadtviertels freigelegt werden konnten. In der ehemaligen Hofapotheke ist seit 1997 das Lipizzaner-Museum eingerichtet.

Die Stallburg ist der einzige noch erhaltene Renaissancepalast Wiens. Der weitgehend freistehende Bau wird von folgenden Straßenzügen begrenzt: Reitschulgasse, Habsburgergasse, Stallburggasse und Bräunerstraße. Durch die Reitschulgasse ist er vom Komplex der eigentlichen Hofburg getrennt und kann daher als deren Dependance betrachtet werden. Seine Grundfläche nimmt etwas mehr als 3.300 m² ein. Damit hat die Stallburg fast die gleiche Größe, wie der älteste Teil der Hofburg, der Schweizertrakt. Die Außenfassaden sind einfach gehalten und vertikal nahezu ungegliedert. Horizontal trennen schmale Simse die Geschosse. Der regelmäßige vierseitige Baukörper umschließt aber den wohl schönsten Renaissance-Arkadenhof Wiens. Rundbogige Pfeilerarkaden sind in allen drei Geschossen den vier Gebäudetrakten vorgebaut. Die dahinter liegenden breiten Gänge sind kreuzgratgewölbt. Der Trakt an der Reitschulgasse ist wesentlich schmäler gehalten als die übrigen Gebäudeflügel. Er besteht nur aus den Arkadengängen. Bemerkenswert sind die hohen Kamine, die aber lediglich hofseitig zur Geltung kommen. Die Firstecken sind mit vergoldeten Kugelaufsätzen geschmückt. In der rechten Ecke des Hofes stand bis vor kurzem ein eleganter frühbarocker Brunnen mit Schmiedeeisengitter aus dem Jahr 1675. Er befand sich ursprünglich im Hof der Amalienburg und wurde erst im 19. Jahrhundert hier aufgestellt. Anlässlich der vor wenigen Monaten abgeschlossenen Generalrestaurierung wurde er wieder entfernt. Der für Wien einmalige Renaissancehof wird derzeit (November 2008) überdacht, was sicher nicht zu einer Verbesserung des Gesamteindruckes beitragen wird. Die Stallburg war ursprünglich durch einen hölzernen Gang mit dem kaiserlichen Lustgarten (Paradiesgarten) verbunden. An dessen Stelle befindet sich heute der Trakt mit den Redoutensälen und der Winterreitschule. Zur Zeit Maria Theresias wurde dieser Gang durch den steinernen Schwibbogen ersetzt, der heute noch die Reitschulgasse überbrückt. Die rundbogige Hofeinfahrt in dieser Gasse war mit dem Doppeladler und Renaissanceplastiken geschmückt. Das Erdgeschoß der Stallburg beherbergt nach wie vor die Stallungen der Hofreitschule. Diese wurden um 1843 mit Boxen aus Metallstehern und Holzverkleidungen neu ausgestattet. Die hochbarocken Pferdetränken bestehen zum Teil aus Marmor. Die Wand des Traktes an der Stallburggasse ist mit Pferdebüsten aus Stuck geschmückt. In der mittlerweile zweckentfremdeten Hofapotheke hat sich das spätklassizistische Mobiliar mit den Apothekerschränken von 1843 erhalten. Die Obergeschosse wurden im Laufe der Zeit mehrfach verändert. Hier befinden sich Büros, die nur zum kleineren Teil vermietet sind und ansonsten mehrheitlich von der Spanischen Hofreitschule genutzt werden. Sie sind weitgehend modern und zweckmäßig eingerichtet.

Die Stallburg ist den meisten Wienern in erster Linie durch die Spanische Hofreitschule bekannt. Diese ist die älteste, noch bestehende Reitschule der Welt. Sie ist aus dem 1572 bereits bekannten Spanischen Reitstall hervorgegangen, der nur mit Pferden spanischer Herkunft arbeitete. Diese stammten von Araber- und Berberhengsten ab. Der damals genannte Reitsaal befand sich vermutlich auf dem Gelände des heutigen Burggartens. Erzherzog Karl II von Innerösterreich gründete das Gestüt in Lipizza im heutigen Slowenien, von dem die Pferde ihren Namen erhielten. Ein Freiherr von Khevenhüller wurde nach Spanien entsandt um Zuchtmaterial für das Gestüt zu kaufen. Die mitgebrachten neun Hengste und 24 Stuten sind die Ahnen der jetzigen Lipizzaner. Diese tragen immer noch die Namen ihrer neun Vorfahren. 1916 wurde das Gestüt nach Laxenburg und später nach Piber verlegt. 1945 befanden sich die Pferde kriegsbedingt im tschechischen Hostau. Der amerikanische General George S. Patton konnte veranlasst werden, sie wieder nach Piber zu bringen. Die Stallungen nehmen das gesamte Erdgeschoß des Renaissancepalastes ein. Hier werden jene Pferde gehalten, die für Veranstaltungen herangezogen werden. Derzeit sind hier an die 70 Hengste untergebracht. Die sog. Winterreitschule, in der die Vorführungen und Übungen stattfinden, liegt der Stallburg gegenüber am Josefsplatz. Vor ihren Auftritten müssen die Pferde über die Reitschulgasse hinüber geführt werden, wobei der durch die Straße fließende Verkehr angehalten wird. Die Zucht findet im Gestüt Piper in der Steiermark statt. Die dort geborenen Fohlen sind vorerst schwarz oder braun und nehmen erst ab dem 7. Lebensjahr die Farbe Weiß an. Nur ganz selten behält ein Lipizzaner seine Geburtsfarbe. Für die Zucht werden nur weiße Pferde verwendet. In den Sommermonaten stehen den Pferden Ställe und Koppeln in Niederösterreich als Sommerfrische zur Verfügung. Vor einigen Jahren berief sich Italien auf den Friedensvertrag von St. Germain nach dem Ersten Weltkrieg und beanspruchte das Recht auf die Zucht der Lipizzaner. Der Streit wurde aber zugunsten Österreichs entschieden.

Lage: Wien – Hofburg – zwischen dem Josefsplatz und dem Michaelerplatz

Besichtigung: Die Stallungen, der Hof und die Arkadengänge können im Rahmen von geführten Rundgängen besichtigt werden. Das Lipizzaner-Museum ist tägl. Von 9 bis 18.00 geöffnet.

Homepage: www.srs.at (Spanische Hofreitschule)


Weitere Literatur:


10.10.2008