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Neubruck - Töpperschloss


Andreas Töpper war eine der interessantesten Persönlichkeiten der österreichischen Industriegeschichte. Er schaffte den Aufstieg vom einfachen Schmiedegesellen zum mehrfachen Fabriksbesitzer und zum bedeutendsten Industriellen der Donaumonarchie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Um 1817 verlegte er das Zentrum seiner damals noch bescheidenen Tätigkeit von der Steiermark nach Niederösterreich. Er erwarb ein stillgelegtes Hammerwerk an der Mündung des Jeßnitzbaches in die Große Erlauf. An seiner Stelle errichtete er ein Blechwalzwerk, das 1838 das größte Eisenwalzwerk Österreichs war und zu den modernsten seiner Art in Europa zählte. Aus der Werksiedlung entstand der Ort Neubruck. Er ist nach der von Töpper 1830 errichteten neuen Brücke über die Erlauf benannt. Bereits um 1825 hatte er das alte Hammerherrenhaus im Biedermeierstil repräsentativ ausbauen lassen. Gleichzeitig wurde ein Park angelegt und mit seltenen Baumarten bestückt. Zwischen 1831 und 1834 ließ Töpper unmittelbar neben seinem Ansitz die stattliche Andreaskapelle erbauen. Bei ihrer Weihe war auch Erzherzog Johann anwesend. Sie war als künftige Grabstätte für Töpper und seine Familie gedacht. Er war auch der Auftraggeber für die nach ihm benannte Erlaufbrücke, die etwa 2 km südlich von Lunz liegt und mit qualitätvollen schwarzen und mit Gold verzierten Gusseisenfiguren besetzt ist. Sie bildete die Zufahrt zu seinem Walzwerk in Kasten. Unter den dortigen Heiligenfiguren befinden sich der Hl. Andreas und die Hl. Helena, die Namenspatronen Töppers und seiner Frau.

Andreas Töpper starb 1872. Seine Witwe heiratete den Werkmeister Adolf Horst. 1881 erwarb der Industrielle Eduard Musil, Edler von Mollenbruck, den bereits stark abgewirtschafteten Betrieb. Er richtete in den Werkshallen eine Fabrikation von Spezialpapieren ein. Aus Repräsentationsüberlegungen ließ er den Ansitz bis 1885 mit großem Aufwand zum Schloss umbauen. 1907 verkaufte er Fabrik und Schloss an Dr. Fritz Hamburger, der aber beides bereits 1915 an Paul Ritter von Schoeller veräußerte. Wie in vielen niederösterreichischen Schlössern richteten russische Besatzungstruppen nach Ende des Zweiten Weltkrieges auch hier schwere Schäden an. Als die Fabrik 1949 durch einen Brand teilweise zerstört wurde, verkaufte ihn die Familie Schoeller an Josef und Erika Greinert. Das Ehepaar bewohnte das Schloss, kam aber 1955 bei einem Verkehrsunfall in Italien ums Leben. Ihre Erben versuchten mit der neu gegründeten Neubrucker Papierfabrik Gmbh & Co einen Neustart, doch kam es 1983 zum Konkurs. Auch der Nachfolger Alois Sonnberger hatte wenig wirtschaftlichen Erfolg. Die Produktion wurde eingestellt. Das Schloss, das zuvor längere Zeit vernachlässigt worden war, wurde restauriert, wird aber derzeit mit dem gesamten Firmenareal zum Kauf angeboten.

Fabrik, Schloss, Kapelle und Park bilden ein Ensemble, das als Produktionsstätte, Lebensraum und Grabstätte konzipiert war. Das Schloss ist eine historistisch gestaltete Vierflügelanlage, die einen rechteckigen Innenhof umschließt. Das Herrenhaus Töppers ist noch im Kern des nordwestlichen Traktes erhalten. Die Nordfront ist als pilastergegliederte Neorenaissancefassade gestaltet. Der schönste Raum des Schlosses ist wohl der unter Eduard Musil eingerichtete Speisesaal im Erdgeschoß. Seine Wände sind vertäfelt und mit großen Delfter Bilderfliesen geschmückt. Neben dem großen Kamin stehen zwei weibliche mythologische Figuren. Das darüber angebrachte Porträt stellt vermutlich Eduard Musil von Mollenbruck dar. Eine repräsentative zweiläufige Holztreppe führt in das Obergeschoß. Im ehemaligen Billardzimmer steht ein hoher Prunkkachelofen aus der Zeit des Historismus. Besonders prächtig ist die ebenfalls für diese Epoche typische Kassettendecke der einstigen Bibliothek. Wie die meisten der Räume ist auch der Türkensaal sehr aufwändig vertäfelt und mit einer Kassettendecke ausgestattet. An seinen Wänden hängen große gobelinartige Stofftapeten. Der von kannelierten Säulen flankierte Spiegel über dem Kamin reicht bis zur Decke. Während sich die wandfeste Ausstattung sehr gut erhalten hat, ist die ursprüngliche bewegliche Einrichtung in den letzten Jahrzehnten weitgehend verloren gegangen. An den Gründer des Schlosses und seine Gattin erinnert noch ein Gemälde, das von den Russen als Zielscheibe für Schießübungen verwendet wurde. Die spätbarock-klassizistische Kapelle ist ein hoher kreuzförmiger Kuppelbau mit einem Säulenportikus. Die Kuppel ist mit Fresken geschmückt. Die Seitenwände werden durch illusionistische Bronzerelieflünetten und Statuen gegliedert. Der Neorokokoluster besteht aus Holz und Papiermaché. 1882 wurden die beiden Sarkophage mit den Liegestatuen des Andreas und der Helena Töpper aus der Gruft in das Familien-Mausoleum am alten Friedhof von Scheibbs übertragen. In späterer Zeit diente die Gruft als Weinlager. An das Schloss schließt ein englischer Garten an, der durch mehrere Parkbauten und etliche Statuen bereichert wird.

Lage: Niederösterreich/Erlauftal – ca. 2 km südlich von Scheibbs

Besichtigung: nicht möglich


Weitere Literatur:


20.08.2008