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Krems - Gozzoburg


Der heute „Gozzoburg“ genannte Baukomplex ist die zweite Stadtburg von Krems und zugleich die älteste erhaltene Stadtburg nördlich der Alpen. Ihre ersten Bauten wurden vielleicht noch im 11. Jahrhundert errichtet, doch hat sich von diesen nichts erhalten. Die Burg war vorerst Sitz der königlichen Verwaltung. Im 12. Jahrhundert geriet das ursprünglich reichsunmittelbare Krems in den Besitz der Babenberger. Damals wurde die Stadtburg von landesfürstlichen Verwaltungsbeamten bezogen. Ihr Hauptgebäude war ein Saalbau mit einem Grundriss von 23 x 12 m und einer Mauerstärke von einem Meter. Der davor liegende Hof war an drei Seiten von einem heute längst verschwundenen Halsgraben umgeben. Ob hier die 1158 erwähnte älteste Münzstätte Österreichs untergebracht war, in der der Kremser Pfennig geprägt wurde, ist urkundlich nicht gesichert. Um die Mitte des 13. Jh. wurde die landesfürstliche Verwaltung im Herzogshof konzentriert. Die dadurch freigewordene Liegenschaft kam um 1250 in den Besitz des reichen Kremser Bürgers Gozzo. Dieser stammte aus Mailberg im Weinviertel, war aber schon längere Zeit in Stein ansässig. Er war seit 1249 mehrfach Stadtrichter von Krems und Stein. 1270 wurde er von König Ottokar II als Kammergraf (comes camere) bestellt und war als solcher für die Finanzverwaltung der damals zum Land ob der Enns gehörenden Landesteile des böhmischen Königs zuständig. Als dessen Geldgeber und als Pächter des landesfürstlichen Kammergutes war er eine bedeutende Persönlichkeit der Stadt. Um 1275 wechselte er die Fronten und trat zu den Gefolgsleuten des Königs Rudolf von Habsburg über. 1276/77 gehörte er zu den Geiseln Ottokars und wurde auf der mährischen Burg Klingenberg (Zvikov) gefangen gehalten. 1280/81 war er wieder als Stadtrichter in Krems tätig. Danach zog er sich aus dem öffentlichen Leben zurück und trat 1288 in das Kloster Zwettl ein. Er starb vermutlich im Jahr 1291. Gozzo hatte es vor allem durch seine Tätigkeit als Kammergraf zu großem Reichtum gebracht, der es ihm ermöglichte, ein prächtiges Stadtpalais zu errichten und auszugestalten. Es war am Ende des 13. Jahrhunderts so bekannt, dass es sogar von Otakar ouz der Geul in seiner Österreichischen Reimchronik von 1298 erwähnt wird.

Auf dem von ihm erworbenen Grundstück standen bereits zwei große dreigeschossige Gebäude. Sie waren im rechten Winkel aneinander gebaut und dürften um 1235 errichtet worden sein, wie dendrochonologische Untersuchungen ergaben. Der südliche Bau ist mit dem zweigeschossigen „Hohen Saal“ im Obergeschoß noch weitgehend erhalten, während vom nordöstlich angebauten Haus nur noch eine Außenwand mit drei eindrucksvollen Rundfenstern vorhanden ist. Gozzo begann schon bald nach dem Ankauf mit dem Ausbau zum Stadtpalast. Er ließ einen großen, um einen Innenhof gruppierten Bau errichten, der an das bestehende Gebäude im Westen anschloss. An seiner Straßenfront entstand ein zweigeschossiger Saalbau. Das Erdgeschoß war als fünfjochige Pfeilerloggia ausgebildet, die als Vorhalle, aber auch als Ort für öffentliche Gerichtsverhandlungen diente. Der eigentliche Versammlungssaal lag aber darüber im Obergeschoß. Dieser große Raum wird heute Wappensaal genannt. Neben dem Saalbau wurde am Nordwestende des Gebäudes ein turmartiger Torbau errichtet, der über der gewölbten Einfahrt eine kleine Kapelle enthielt. In den späten 50er Jahren des 13. Jahrhunderts entstand südwestlich des Kernbaues ein Anbau, der vorwiegend praktischen Zwecken diente (Rauchküche, Vorratskammer, Speisesaal). 1258 scheint der Name Gozzoburg erstmals urkundlich auf. Um 1265 ließ Gozzo am Ostende des Palastes eine frei stehende Kapelle erbauen und reich ausgestalten. Sie war zuerst dem Hl. Johannes dem Evangelisten und später der Hl. Katharina geweiht. 1267 wurde sie zur von der Pfarrkirche unabhängigen Privatkapelle erklärt. Der stattliche dreigeschossige Wohntrakt, der mit seinem hohen Satteldach heute die Südseite der Gozzoburg dominiert und vom Kernbau bis zur Katharinenkapelle reicht, wurde um 1270 aufgeführt. Bei seiner Errichtung wurden Teile des im Norden angrenzenden Vorgängerbaues von 1235 mitverwendet.

Die Gozzoburg blieb bei Gozzos Familie bis sie um 1320 an die Habsburger verkauft wurde. 1349 fand in Krems ein Pogrom statt, doch gelang es vielen Juden sich in die Burg zu retten. Diese wurde von Burggrafen verwaltet, die wie die Maissauer, Hardegger und Wallseer zu den vornehmsten Familien des Landes zählten. Sie lebten nicht hier und setzten selbst wieder Pfleger ein. Im 15. Jh. diente die Kremser Burg auch oft als Pfandgut. 1478 und 1483 wurde die Stadt Krems mit ihrer Pflege betraut. Als diese 1477 durch Matthias Corvinus belagert wurde, erlitt auch die Gozzoburg schwere Schäden. Kaiser Friedrich III ließ in den Jahren 1484 bis 1487 umfangreiche Umbauarbeiten vornehmen, doch verlor der Bau bald seinen repräsentativen Charakter. Immerhin hat sich aus dieser Zeit neben einer Wendeltreppe ein schönes verstäbtes Schulterbogenportal erhalten. Das Kremser Stadtgericht durfte seine Räume im Westteil der Gozzoburg bis zum Ende des 15. Jahrhunderts nutzen. Noch vor 1500 verkaufte Kaiser Maximilian I den Gebäudekomplex, der bald in bürgerliche Wohnungen aufgeteilt wurde. Der Ostteil des Stadtpalastes wurde 1524 vom Schlüsselamtmann Michael Pichler übernommen, der zwei Jahre später umfangreiche Umbauten vornahm. Dabei wurden alle Fenster ausgewechselt und neue Gewölbe eingezogen. Die Katharinenkapelle wurde durch Einbauten mit den übrigen Gebäuden des Stadtpalastes verbunden. 1526 wurde an die Katharinenkapelle ein gemauertes Priesterhaus angebaut, das einen hölzernen Vorgängerbau ersetzte. Um 1595 wurden einige Räume mit Holzkassettendecken versehen, von denen eine noch erhalten ist. Auch der Westteil, in dem der Bürgermeister und Stadtrichter Michael Polt wohnte, wurde im 16. Jahrhundert stark verändert. Das Erdgeschoß der am Hohen Markt gelegenen Gebäude wurde in Geschäftslokale aufgeteilt. 1548 wurde im Innenhof ein Renaissance-Arkadengang vorgebaut. Die Kapelle im Westturm wurde in zwei Geschosse unterteilt, wobei große Teile der Wandausstattung verloren gingen.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde es noch schlimmer. Da Teile des Hauses ab 1609 als Bierbrauerei dienten, waren neuerliche Umbauten nötig. Damals wurde die Loggia des Saalbaues vermauert und der Raum als Darre verwendet, nachdem eine Zwischendecke eingebaut worden war. Die mittelalterliche Rauchküche wurde zum Sudhaus umfunktioniert. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgten die ärgsten Zerstörungen, als man um zusätzliche Wohnungen vermieten zu können, sowohl den Wappensaal als auch die Katharinenkapelle durch Zwischendecken unterteilte. Die gotischen Steingewändefenster wurden zugemauert und neue Fenster ausgebrochen. Alle großen Räume wurden durch Zwischenwände in kleine Zimmer unterteilt. Das Sterngewölbe der Katharinenkapelle wurde abgetragen. Durch eine Generalsanierung in den Jahren 1958 bis 1964 erhielt die inzwischen sehr unansehnlich gewordene Gozzoburg ihr mittelalterliches Aussehen großteils wieder zurück. Die repräsentative Loggia an der Nordseite wurde wieder geöffnet und die darüber liegenden gotischen Fenster freigelegt. Außer an ein Restaurant war die Gebäudegruppe vor allem an Wohnparteien vermietet. Die Gozzoburg gehört heute über eine Immobiliengesellschaft der Stadt Krems und dem Land Niederösterreich. Zwischen 2005 und 2007 erfolgte eine neuerliche Generalsanierung, die sich diesmal auch auf das Innere erstreckte und mit einer bauarchäologischen Untersuchung verbunden war. Bei diesen Arbeiten wurden ca. 800 vorwiegend aus dem 13. Jahrhundert stammende Spolien aufgefunden. Außerdem fanden sich zahlreiche Bauhölzer, durch deren dendrochonologische Untersuchungen es möglich war, die einzelnen Baukörper genauer zu datieren. Um den mittelalterlichen Raumeindruck wieder zu gewinnen, wurden nahezu alle späteren Einbauten und Zwischendecken entfernt. Der bei modernen Architekten so beliebte Einbau von nicht zum Ensemble passenden Stahl- und Glasfassaden konnte auf ein Minimum beschränkt und reversibel durchgeführt werden. Er betrifft im Wesentlichen die Eingangszone und das Stiegenhaus. Seit Beginn des Jahres 2008 hat in einem Teil der frisch renovierten Räume das Landeskonservatorat für Niederösterreich des Österreichischen Bundesdenkmalamtes seinen Sitz.

Die etwa 1800 m² große Gozzoburg gehört zu den wichtigsten frühgotischen Profanbauten Österreichs, obwohl sie von späteren Um- und Zubauten nicht verschont wurde. Der vielteilige Gebäudekomplex liegt zwischen dem Hohen Markt und der Unterstadt. Er ist heute durch drei Höfe erschlossen. Ältester Teil ist das von Gozzo übernommene, spätromanische, L-förmige Gebäude aus der Zeit um 1235. Es zeigt noch drei Rundbogenfenster und hatte einen Hocheinstieg. Der mächtige trapezförmige Wohnbau im Süden liegt unmittelbar am Steilabfall zur Unteren Landstraße. Die Rahmung eines seiner schönen Biforenfenster befindet sich heute im Niederösterreichischen Landesmuseum. Bis in das 19. Jahrhundert hinein stand an der Südwestecke des Wohntraktes ein vorkragender zinnengekrönter Turm. Er schützte den Stiegenaufgang aus der Unterstadt, der hier in den ersten Burghof einmündete. Östlich von diesem springt die längst profanierte frühgotische Katharinenkapelle im Nordosten vor. Sie ist ein quadratischer (7 x 7 m) Baublock mit einem Apsidenerker an der Ostseite. Der später in Wohnräume unterteilte Sakralbau war dreischiffig und zweigeschossig. 1955 konnten im Obergeschoß der ursprünglichen Außenwand der Kapelle Fresken aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts freigelegt werden. Sie zeigen Fragmente eines thronenden Christus, flankiert von Passionsszenen. Um den Innenraum der Katharinenkapelle wiederherzustellen, wurde bei der letzten Restaurierung um 2005 eine Zwischendecke abgebrochen. Auf Grund der zahlreichen gefundenen Spolien denkt man daran, in den nächsten Jahren der Katharinenkapelle ihr ursprüngliches Aussehen wiederzugeben. Ob man das ehemalige achtteilige Sternrippengewölbe rekonstruieren sollte, ist denkmalpflegerisch umstritten. Österreich würde allerdings dadurch ein wichtiges Werk der europäischen Hochgotik wieder erlebbar erhalten. Zu den Burgkaplänen zählte übrigens auch der spätere Kardinal Melchior Khlesl.

An die alte Stadtburg schließt im Westen der von Gozzo um die Mitte des 13. Jahrhunderts errichtete dreigeschossige Stadtpalast an. In den Jahren 1958 bis 1964 wurde er von späteren Zubauten befreit, so dass er wieder das Bild eines italienischen palazzo communale bietet. Sein Erdgeschoß öffnet sich an der Front zum Hohen Markt in hohen Spitzbogenarkaden. Die dadurch gebildete fünfjochige Loggia weist ein schweres Kreuzrippengewölbe auf, das auf mit Blattornamenten verzierten Konsolen ruht. Die skulptierten Schlusssteine sind sehr schön gearbeitet. Die erste Arkade im Osten ist etwas größer als die übrigen. Sie führt in eine Eingangshalle mit drei Sitznischen, durch die man in einen dahinter liegenden frühgotischen Saalbau gelangt. In seinem Oberstock befindet sich ein großer zweigeschossiger Festsaal. Seine prachtvollen gotischen Zwillingsfenster konnten 1959 freigelegt werden. Sie sind teilweise mit diamantierten Rahmungen versehen. Ihre Mittelstücke mussten ergänzt werden. Der Eingang in diesen Saal befand sich an der Hofseite über der spitztonnengewölbten Einfahrt. Er war über eine Freitreppe zu erreichen. Bei der letzten Generalsanierung versuchte man das ursprüngliche Aussehen des Wappensaales wiederherzustellen. Nach dem Abbruch einer Zwischendecke untersuchte man auch die Innenwände. Dabei wurde über den Biforenfenstern eine gemalte Wappengalerie aufgedeckt. Der Saal zeigt heute wieder seine originale Holztramdecke aus dem 13. Jahrhundert.

Im Turm westlich des Saales liegt ein kleiner quadratischer Raum mit einem frühgotischen Kreuzrippengewölbe. Dass dieser Raum einst als spätgotische Kapelle diente, wurde bestätigt als auch hier ein Zwischengewölbe aus der Renaissancezeit abgetragen wurde und in der alten Beschüttung Kapitelle sowie Wandmalereien zum Vorschein kamen, die die Jonasgeschichte als Thema haben. Sie dürften bereits um 1250 geschaffen worden sein. Die genaue Untersuchung der Wände eines Saales im Wohnbereich der Gozzoburg sollte sich als echter Glücksfall erweisen. Unter dem Verputz kam ein ausgezeichnet erhaltener Freskenzyklus von höchster Qualität aus der Zeit um 1270 zum Vorschein. Neben dem Jüngsten Gericht umfasste dieser auch weltliche Szenen, die zu den ältesten profanen Wandmalereien Ostösterreichs gehören. Vor allem das Jüngste Gericht ist typisch für die Ausmalung mittelalterlicher Gerichtsräume und Rathäuser. Bis jetzt wurden erst die Malereien in den Zwickelfeldern eines im 15. oder 16. Jahrhunderts eingesetzten Gewölbes sowie ein Bogenfeld aufgedeckt, so dass damit zu rechnen ist, dass sich noch weitere Malereien unter dem Verputz befinden. Außer einer Kampfszene sind vor allem verschiedene Könige aus dem Altertum dargestellt. Der malerisch verwinkelte Wappenhof zeigt spätgotische Mauer- und Säulenarkaden, in deren Mauerbrüstung flache Wappenschilder eingelassen sind. Ein Steinwappen trägt die Jahreszahl 1548. Reste einer Schwarzen Küche sind noch vorhanden. Der einstige Gesindetrakt dient heute als Restaurant.

Ort/Adresse: 3500 Krems an der Donau, Hoher Markt 11

Besichtigung: täglich außer Montag mit Führungen möglich (siehe homepage)

Homepage: www.gozzoburg.at


Weitere Literatur:


17.03.2008