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Thürnlhof


1562 schenkte Kaiser Ferdinand I seinem Unterkoch Michael Pfeiffer und dessen Frau zwei Brandstätten aus der ersten Wiener Türkenbelagerung von 1529. Auf ihnen standen zwei „öde Thürnln“, also Turmruinen. Sie dürften möglicherweise zu einem bewehrten Herrenhof gehört haben, der dem neu gegründeten Schottenkloster um 1200 vom Babenberger Herzog Heinrich II Jasomirgott geschenkt wurde. In einer Urkunde von 1357 wurde dieser Hof als Wolfgershof bezeichnet. Damals wurde berichtet, dass Peter von Ebersdorf diesen Hof von den “Schotten“ als Lehen erhalten habe. Der Name Wolfgershof könnte auf Wolfger von Suechant (Schwechat) zurückgehen, der 1108 als Gründer der heutigen Stadt Schwechat genannt wird. Von 1638 bis 1657 wohnte hier der Ebersdorfer Schlosshauptmann Johann Thomas Schlegel von Ehrenberg. Auf ihn folgte Maria Helene Gräfin von Kollonitz. Später gehörte der Besitz dem Himmelpfortkloster in Wien. Seine Glanzperiode aber begann 1755, als der Hof vom Justizpräsidenten Rudolph Joseph Graf Korzensky von Tereschau erworben wurde. Er ließ das Herrenhaus vergrößern und geschmackvoll einrichten. Auch der Garten wurde erweitert und zum „Zier- und Lustgarten“ umgestaltet. 1801 gehörte der Thürnlhof der Freiin Caroline von Bietagh, auf die bürgerliche Besitzer folgten. Nach der Schlacht von Aspern (1809) verbrachte Napoleon eine Nacht in einem Zimmer des Ansitzes. Die Geschichte vom 35-stündigen Erschöpfungsschlaf des Kaisers dürfte zumindest stark übertrieben sein. 1832 wurde im Gebäude eine Zuckerfabrik eingerichtet. Ein Pächter betrieb hier um 1874 eine Kekserzeugung. 1877 wurde das verbliebene Inventar ausgeräumt und das Haus der Gemeinde Kaiserebersdorf verkauft. Diese benutzte es zuerst als Schul- und dann als Wohnhaus. Im dritten Viertel des 20. Jahrhunderts stand der ehemalige Herrensitz leer und war bereits zur Halbruine verkommen. 1971 erwarb der Gastronom Hubert Klösch den Thürnlhof und begann mit der Renovierung. Seit deren Abschluss wird er als Schlossheuriger und Restaurant geführt.

Der stattliche Bau ist ein dreigeschossiges Gebäude aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, das in der Barockzeit an beiden Seiten erweitert wurde. Der unregelmäßige Baukörper ist mit flachen Walmdächern gedeckt. Die Fassade gilt als Beispiel für einen Herrensitz aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Das Erdgeschoß ist genutet. Das erste Obergeschoß wird mit dem darüber befindlichen Mezzaningeschoß durch Pilaster und Lisenen optisch zusammengefasst. Der nördliche Bauteil weist eine etwas reichere Gliederung auf. Seine Hauptfassade zeigt große Doppelpilaster mit ionischen Kapitellen. Die Mitte der Fassade wird durch einen einfachen Dreiecksgiebel betont. Die Fenster des Hauptgeschosses sind mit dreieckigen Verdachungen versehen. Die Westfront ist durch die beiden barocken Zubauten stark gegliedert. An der rechten Seite des dreiachsigen Eingangsbereiches befindet sich eine Wendeltreppe. Links vom Eingang liegt eine barocke breite Treppe mit Steinbalustrade. In einer rundbogigen Wandnische des Stiegenhauses befindet sich die barocke Figur eines Jünglings mit dem Wappen der Stadt Wien. Die Räume sind im Mittelteil durchwegs sehr klein. Sie weisen Kreuzgrat- und Stichkappentonnengewölbe aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf.

Ort/Adresse: 1110 Wien, Münnichplatz 5

Besichtigung: im Rahmen des Restaurantbetriebes möglich


Weitere Literatur:


20.02.2008