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Albertina (Palais Erzherzog Albrecht)


Das heute unter dem Namen Albertina wesentlich bekanntere Palais Erzherzog Albrecht liegt auf der Augustinerbastei, einem Überbleibsel des alten Befestigungssystems der Stadt. Aus strategischen Gründen durfte die Bastei bis zum Ende des 16. Jh. nicht verbaut werden. 1744 erhielt der Direktor des Hofbauamtes, Emanuel Teles Graf Sylva-Tarouca, von Kaiserin Maria Theresia die Erlaubnis, anstelle des Hofstadls das sog. Hofhaus zu errichten. Der Architekt ist unbekannt. Manche Kunsthistoriker vermuten Anton Ospel. Das neue Palais beherbergte neben den Wohnräumen des Grafen auch das Hofbauamt. Sylva-Tarouca war zugleich Präsident der Niederländischen Hofkanzlei, die ebenfalls – bis zum Verlust der Österreichischen Niederlande 1792 – hier ihren Sitz hatte. Auf Wunsch der Kaiserin verkaufte Tarouca das Palais 1754 dem Kaiserhaus, das es vorwiegend als Gästehaus verwendete. Hier wohnte Maria Theresias Schwager, Prinz Karl von Lothringen. Anlässlich seiner Vermählung mit der Erzherzogin Marie Christine, der Lieblingstochter Maria Theresias, wurde Albert Herzog von Sachsen-Teschen zuerst 1766 zum Statthalter von Ungarn und dann 1780 zum Statthalter der Österreichischen Niederlande ernannt. 1780 übersiedelte das Paar nach Brüssel, wo Herzog Albert das Schloss Laecken erbauen ließ. Als der Herzog 1792 auf der Flucht vor den herannahenden französischen Revolutionstruppen Schloss Laeken verlassen musste, nahm er die meisten Möbel und Gemälde nach Wien mit. Unglücklicherweise sank eines von den drei Schiffen, die den herzoglichen Hausrat transportierten. 1794 übergab Kaiser Franz II das Palais Tarouca an Herzog Albert von Sachsen-Teschen. Es hatte eine Doppelfunktion als herzogliches Domizil und Kunstsammlung. Um mehr Platz zu bekommen, wurde ein Teil des Augustinerklosters angekauft. Der Hofsteinmetz Paul Kölbel hatte schon 1795 durch einen gedeckten Gang eine Verbindung zwischen dem Palais und der Hofburg geschaffen. Albert ließ sein Wiener Palais 1801 bis 1805 von Louis de Montoyer, der für ihn schon Schloss Laeken errichtet hatte, durch Einbeziehung der Klosterräume erweitern und umgestalten. Damals entstand der 20-achsige Flügelbau, der dem Burggarten zugewendet ist und die Repräsentationsräume des Herzogs enthält. Der straßenseitige ehemalige Klostertrakt nahm des Herzogs Grafiksammlung auf. Die Albertina wurde dadurch zum größten Palais Wiens der damaligen Zeit. Zur Ausgestaltung verwendete Albert die aus Laeken mitgebrachten Möbeln. Sie stammen zum Großteil aus der Zeit um 1780 und wurden in den Hofwerkstätten Ludwigs XVI hergestellt. Der kinderlose Herzog Albert starb 1822.

Sein Adoptivsohn Erzherzog Carl, der Napoleon in der Schlacht bei Aspern besiegt hatte, übernahm als Alleinerbe sowohl das Palais als auch die Kunstsammlung. Letztere war bereits 1816 in ein unveräußerbares Fideikommiss eingebracht worden. Erzherzog Carl ließ das Palais vom Architekten Josef Kornhäusel im Empire-Stil umbauen. Die Manufaktur Joseph Danhauser wurde mit der Anfertigung von neuen Möbeln beauftragt. Hier stand vermutlich der erste Weihnachtsbaum Wiens. Erzherzog Carls Gattin, Henriette von Nassau-Weilburg hatte diese Tradition aus ihrer deutschen Heimat mitgebracht. Henriette ist übrigens die einzige Protestantin, die in der Kapuzinergruft bestattet wurde. 1826 wurde auch das Palais in das Fideikommiss eingebracht, so dass ab diesem Zeitpunkt Sammlung und Palais untrennbar verbunden waren. Auf Erzherzog Carl folgte sein ältester Sohn Erzherzog Albrecht als Eigentümer der Albertina. Auch er war ein berühmter Feldherr. Er siegte bei Custozza über die italienische Armee. Die Fassaden wurden 1865/69 im Stil des Historismus verändert. Albrechts Neffe und Adoptivsohn Erzherzog Friedrich besaß den Palast von 1895 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Er war Oberbefehlshaber der österreichisch-ungarischen Armeen im Ersten Weltkrieg und galt als einer der reichsten Männer der Monarchie. Die von ihm bevorzugten Möbel kamen von den Firmen Portois & Fix sowie Friedrich Otto Schmidt. Auf Grund verwandschaftlicher Verbindungen besaß das spanische Königspaar zwischen 1895 und 1919 ein Appartement im Palais. Die junge Republik Österreich war weniger am Gebäude der Albertina als an der weltberühmten Kunstsammlung interessiert. Da beides vereinigt war, enteignete sie kurzerhand der Erzherzog, obwohl die Albertina sein Privatbesitz war und er in einer möglichen Thronfolge der Habsburger keine Rolle spielte. Erzherzog Friedrich musste das Gebäude verlassen, durfte jedoch sämtliches bewegliches Inventar – außer der Sammlung natürlich - in sein Exil nach Ungarisch Altenburg bzw. in das Schloss Halbturn mitnehmen.

Das praktisch „besenrein“ übergebene Palais wurde nur teilweise für die Sammlung genutzt. Die Säle dienten vorwiegend als Lager- und Archivräume sowie für Büros. 1933 wurden die Möbel, Tapisserien und Gemälde durch Erzherzog Friedrich weitgehend versteigert und verschwanden zum größten Teil im internationalen Kunsthandel. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude durch Bombentreffer schwer beschädigt und danach in vereinfachten Formen wieder aufgebaut. So wurde die Auffahrtsrampe stark verkürzt und zur Stiege umgebaut. Der Eingang wurde von der Bastei in die Augustinerstraße, also in den Keller des Gebäudes verlegt. Man benützte den Wiederaufbau um die historische Fassadengestaltung abzuschlagen und alle Symbole, die an die Habsburger erinnerten, zu entfernen. Die Repräsentationsräume wurden ohne jedes Kunstverständnis in Büroräume umgewandelt. Offenbar im Bestreben unsere Beamten von der Arbeit nicht abzulenken, wurden die Deckenbemalungen abgewaschen oder überstrichen. Die graphische Sammlung wurde 1952 wiedereröffnet. Den Festsaal benützte man seit 1953 als Lesesaal. 1972 gelang es den großen Mittelluster des Musensaales von den Nachkommen Erzherzog Friedrichs zurückzukaufen. Die vier Nebenluster konnten durch die Firma Lobmeyer nur mehr kopiert werden, da sie der Erzherzog 1924 dem Budapester Nationalmuseum geschenkt hatte. Im Jahr 2000 wurde eine Generalsanierung beschlossen, bei der das Palais seinen alten Glanz – soweit wie möglich – wieder erhielt. Die Fassaden erhielten ihre ehemalige Gliederung zurück und der Eingang wurde wieder auf die Bastei verlegt. Allerdings sind einige Änderungen umstritten. So stieß vor allem das große metallene Flugdach von Hans Hollein, das der Hauptfassade vorgelegt wurde, auf allgemeines Unverständnis. In jahrelanger Kleinarbeit gelang es dem Management der Albertina, einen Teil der von Herzog Albert mitgebrachten Louis-Seize und der von Erzherzog Carl angeschafften Empire-Möbel aus dem Kunsthandel zu erwerben oder von anderen Museen als Leihgabe zu erhalten. Die Ankäufe werden fortgesetzt. Um den toten Raum der Bastei zu nutzen, wurde in ihr ein fünfstöckiger Tiefspeicher angelegt, der die Raumprobleme der Sammlung für längere Zeit lösen wird.

Das an drei Seiten frei stehende Palais Erzherzog Albrecht ist heute ein Konglomerat aus vier unterschiedlichen Gebäuden. Ältester Teil ist der Verbindungstrakt zwischen dem ursprünglichen Palais und der Augustinerkirche. Er entstand im 16. Jh. durch Aufstockung des Klosterkreuzganges der Augustiner Chorherren aus der 2. Hälfte des 14. Jh. Der jüngste Teil stammt von der Wende des 20. zum 21. Jahrhundert. Es ist der unterirdische Erweiterungsbau in der Bastei. Zeitlich dazwischen liegen das barocke Palais Tarouca und der klassizistische Trakt mit den Repräsentationsräumen. Das Tarouca-Palais ist ein dreigeschossiger Bau mit einem trapezförmigen Grundriss. Die neobarocke siebenachsige Fassade stammt aus den Jahren 1865/69. Sie wird durch flache Riesenpilaster gegliedert. Der dreiachsige Mittelrisalit tritt kaum vor. Unter den segmentbogigen Fensterverdachungen der äußeren Achsen der Beletage erkennt man stukkierte Löwenköpfe. Die dreieckigen Verdachungen der Fenster des Mittelrisalits sind mit barockisierenden Stuckemblemen geschmückt. Sein Innenhof wurde 2001/03 überdacht und dient nun als Foyer und Kassenraum. Die Hauptschauseite der Albertina ist dem Burggarten zugewendet. Der Mittelrisalit wird durch eine Attikabalustrade gekrönt, über der ein großer Wappenstein auf die Häuser Sachsen-Teschen und Toskana Bezug nimmt. Er wird von den Skulpturen Apollos und Minervas sowie von einer liegenden Sphinx und einem liegenden Löwen flankiert. Sehenswert sind die von Josef Kornhäusel nach 1822 für Erzherzog Carl entworfenen klassizistischen Interieurs. Sie zählen zu den bedeutendsten Werken dieser Stilrichtung in Österreich.

Im Zentrum der 100 m langen Enfilade liegt der ehemalige Ballsaal mit dem Skulpturenzyklus „Apollo und die neun Musen“. Dieser gilt als Hauptwerk Joseph Kliebers. Der heute Musensaal genannte Raum ist mit zweifarbigem Marmor verkleidet und durch Pilaster gegliedert. An den Längsseiten sind die weißen Sandsteinfiguren des Apollo und der neun Musen aus den Jahren 1823/24 aufgestellt. Beidseitig schließen sich an den Festsaal die herrschaftlichen Wohnräume an, darunter das Goldkabinett mit dem Sèvres-Tisch des französischen Königs Ludwig XVI, der als Geschenk Marie Antoinettes an Herzog Albert kam. Am nördlichen Ende der Enfilade liegt das Wedgwoodkabinett mit qualitätvollen englischen Porzellanreliefs. Zwischen 1822 und 1825 schuf die Wiener Möbelmanufaktur Joseph Danhauser zahlreiche Möbel für die Repräsentationsräume. Auch die prächtigen Intarsienböden stammen von dieser Firma. In der ovalen Minervahalle steht eine Statue der Pallas Athene von Joseph Klieber. Die Marmorbüste des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen stammt von Franz Xaver Messerschmidt aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Räume sind mit Stuckdecken, Fresken, Kristalllustern, Öfen und bemalten Supraporten versehen. Die Stoffe der originalen Wandbespannungen haben zwar die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht überlebt, doch ist es gelungen, sie nach den historischen Vorbildern nachzuweben. Für die Vergolderarbeiten im Goldkabinett und in den Prunkräumen wurde eine eigens für das Palais gemischte Goldlegierung verwendet, die unter dem Namen Albertinagold erhältlich ist. Auch der Säulengang und das Stiegenhaus mit den zwei Sphingen und den Kopien antiker Skulpturen sind erwähnenswert.

Die Albrechtsrampe, die nur mehr an der Rückseite der Albertina eine Rampe, an der Vorderseite aber eine Stiege ist, umschließt jenen Teil der ehemaligen Augustinerbastei, der bei der Demolierung der Stadtbefestigung um 1864 stehenbleiben musste, da auf ihm ja das Palais des Erzherzogs Albrecht steht. Auf der Bastei, vor der Schmalseite des Gebäudes, steht ein großes Reiterdenkmal Erzherzog Albrechts. Es wurde 1899 durch Caspar von Zumbusch geschaffen. Der Danubius-Brunnen am Fuß der Bastei wurde in den Jahren 1864/69 errichtet. Sowohl die Hauptgruppe mit den Figuren des Danubius und der Vindobona als auch die zehn Seitenskulpturen, die Allegorien der Flüsse Inn, Save, Drau, Theiß, Mur, Salzach, March, Raab, Enns und Traun darstellen, schuf Johann Meixner aus weißem Carraramarmor. Die Architektur stammt von Moriz von Löhr. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Brunnen schwer beschädigt. Da man offenbar an eine Restaurierung nicht dachte, schenkte die Stadt Wien fünf Skulpturen der Gemeinde Wieselburg, die sie im Schlosspark aufstellte. Die Statue der Drau wurde der Gemeinde Greifenburg an der Drau überlassen. Der Inn kam 1951 nach Wiener Neustadt. Als man sich 1985 doch zu einer Wiedererrichtung des Brunnens - allerdings etwas verkleinert - entschloss, bemühte man sich um eine Rückgabe der verschenkten Skulpturen, die restauriert und an ihrem alten Platz wieder aufgestellt wurden. Im unteren Bereich der Bastei wurde 1923 ein beliebtes Weinlokal, der Augustinerkeller eingerichtet. Der 1863 errichtete gedeckte Verbindungsgang vom Palais zum ersten Stock der Güterdirektion des Erzherzogs Albrecht in der Hanuschgasse, wo sich auch eine Reithalle befand, wurde 1935 abgerissen.

Bereits Herzog Albert hatte einen großen Teil seines enormen Vermögens in den Aufbau einer Grafiksammlung investiert. Die riesige Mitgift seiner Gattin Marie Christine machte es möglich. Der italienische Kunstkenner Giacomo Conte Durazzo hatte für ihn zwischen 1774 und 1784 über 30.000 Druckgrafiken vom 15. bis zum 18. Jahrhundert zusammengetragen und damit den Grundstock der Albertina geschaffen, den der Herzog bis zu seinem Tode systematisch mehrte. Als er 1822 starb, hinterließ er seinem Neffen Erzherzog Carl rund 14.000 Zeichnungen und 200.000 druckgrafische Blätter. Der Erzherzog machte die Sammlung erstmals der Öffentlichkeit zugänglich. Sie wurde durch ihn und seine Gattin, Henriette von Nassau-Weilburg erweitert und auch von Erzherzog Albrecht weiter ausgebaut, bis sie 1920 mit dem Kupferstichkabinett der ehem. Kaiserlichen Hofbibliothek vereinigt und in ein staatliches Museum umgewandelt wurde. Es entstand die größte graphische Sammlung der Welt mit ca. 60.000 Zeichnungen und über einer Million druckgrafischer Blätter, darunter weltberühmte Werke von Dürer, Raffael, Leonardo, Michelangelo, Rembrandt und Rubens. Die Bezeichnung „Albertina“ ist erst ab 1870 gebräuchlich, als in einer französischen Kunstzeitschrift die Sammlung des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen „la collection Albertina“ genannt wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es Überlegungen die Sammlung zu verkaufen, um die Reparationsforderungen der Nachfolgestaaten der Monarchie abzugelten. Glücklicherweise kam es nie dazu. Heute ist die Albertina nicht nur eine grafische Sammlung. Ihr Spektrum wurde durch eine Architektur-, eine Foto- und mehrere Gemäldesammlungen erweitert.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Albertinaplatz 1

Besichtigung: die historischen Innenräume können während der Öffnungszeiten der Sammlungen (täglich von 10.00 bis 18.00, Mittwoch bis 21.00) besichtigt werden

Homepage: www.albertina.at


Weitere Literatur:


18.02.2008