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Neu-Rettenberg


Die Herren von Rottenburg, die seit der Mitte des 12. Jahrhunderts in Tirol nachweislich sind, verfügten bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts über eine vom Landesherrn weitgehend eigenständische Gerichtsherrschaft, die sich von Volders bis zum Ziller erstreckte. Ihr Territorium war aber seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts geteilt, da die Freundsberger damals in Schwaz ein Gericht besaßen. Die Rottenburger richteten daher im westlichen Teil ihres Gebietes ein selbständiges Niedergericht ein. Sein Sitz war Rettenberg. Das Hochgericht verblieb auf der Rottenburg, dem Stammsitz der Familie. Die neu errichtete Burg Rettenberg wird 1298 erstmals erwähnt, doch dürfte sie damals noch im Bau gewesen sein, denn die der Hl. Jungfrau Maria geweihte Burgkapelle wurde erst 1302 oder 1303 geweiht. Rettenberg wurde von Pflegern verwaltet. Als der Tiroler Landesherr, Herzog Friedrich IV von Österreich, um 1407 seinen Hofmeister Heinrich von Rottenburg wegen Treuebruches die tirolischen Erbämter aberkannte, verbündete sich dieser mit dem Herzog von Bayern und versuchte 1410 den Landesfürsten zu stürzen. Er scheiterte jedoch und wurde gefangen genommen. Um wieder frei zu kommen, musste er seine beiden Hauptburgen Rottenburg und Rettenberg Herzog Friedrich übergeben. Auf Rettenberg wurden vorerst landesfürstliche Pfleger eingesetzt. Graf Eberhard von Kirchberg erhob jedoch Ansprüche auf die Burg, da er die Witwe des Rottenburgers geheiratet und diese von ihrem ersten Gatten Rettenberg als Morgengabe erhalten hatte. Nach zwei Schiedssprüchen des Königs Sigmund fügte sich Herzog Friedrich und gab Rettenberg 1419 als Pfandbesitz an Graf Eberhard. Einsprüche des Grafen Hans von Lupfen, dem Schwiegersohn Heinrich von Rottenburgs blieben erfolglos.

1492 verzichtete Graf Eberhard d. J. zugunsten des Ritters Florian Waldauf von Waldenstein auf die Pfandherrschaft. Er brachte es vom einfachen Bauernsohn zum Diplomaten und Berater Kaiser Maximilians I. Als dessen Freund und Kampfgenosse verpflichtete er sich ihm gegenüber, eine neue Burg zu errichten, da Rettenberg bereits ruinös war und den militärischen Erfordernissen nicht mehr entsprach. Waldauf ließ die Feste abbrechen und etwas nördlich von ihr die Burg Neu-Rettenberg errichten. Als frommes Kind seiner Zeit hatte Waldauf eine riesige Sammlung von teils echten, wohl aber größtenteils falschen Reliquien angelegt, die er zuerst in Neu-Rettenberg verwahrte, aber 1501 in einer feierlichen Prozession in die von ihm gestiftete Marienkapelle der Pfarrkirche von Hall überführte. An diesem Zug sollen angeblich 32.000 Menschen teilgenommen haben. Florian Waldaufs Sohn Hans führte ein verschwenderisches Leben und kümmerte sich nicht um die Fertigstellung der Burg. Daher wurde 1528 die Pfandschaft aufgehoben und dem Freiherrn Oswald von Wolkenstein übertragen. Dieser ließ die Bauarbeiten umgehend fortsetzen und vor allem die lange Ringmauer um das Hauptgebäude errichten. 1530 war die Feste vollendet und mit Kanonen in den Eckrondellen armiert. 1559 übernahm Wilhelm Gienger die Pfandschaft. Nach ihm wechselten die Pfandherren recht häufig. Zu ihnen gehörten Anton Freiherr von Landau (1582), Johann Kolowrat (1594) und die Grafen Fieger (ab 1649). 1791 konnten die Gräfinnen Juliane und Justiane Fieger die Herrschaft als freies Eigen erwerben. Sie verkauften die bereits weitgehend verfallene Burg 1798 an den Pfarrer Georg Ruf aus Kolsaß. Dieser plante einen Kirchenneubau und ließ alles Brauchbare aus der Burg Neu-Rettenberg entfernen. Der Kirchenbau kam jedoch nicht zustande, so dass er das Abbruchmaterial der Gemeinde Wattens verkaufte, die damit ihre im Krieg von 1809 zerstörte Kirche erneuerte. Das Wohngebäude der Burg wurde bis 1914 restlos abgetragen, die Ringmauer blieb jedoch erhalten. 1960 begann man mit Sicherungsarbeiten. Das Burggelände wird seit dem Ende des 18. Jahrhunderts von der Familie Schweiger landwirtschaftlich genutzt.

Die Lage von Alt-Rettenberg war bis 1970 nicht bekannt. Erst durch eine Hangrutschung wurde man auf ihre bescheidenen Mauerreste aufmerksam. Diese wurden in den folgenden Jahren archäologisch untersucht, wobei zahlreiche mittelalterliche Kleinfunde gemacht werden konnten. Die ausgedehnte Anlage von Neu-Rettenberg liegt ca. 800 Meter nordwestlich ihrer Vorläuferin. Wie schon ihre von der Natur aus kaum geschützte Lage vermuten lässt, diente sie weniger militärischen Bedürfnissen als Gerichtszwecken und der Repräsentation. Die Ausmaße des 24 x 19 m großen Hauptgebäudes sind nur mehr an den Fundamenten zu erkennen. Diese trugen die 1,6 m starken Mauern des turmartigen fünfgeschossigen Baues. Mehrere Ansichten aus dem 16. Jahrhundert zeigen, dass das oberste Geschoß unterhalb des Zinnenkranzes mit Schießluken ausgestattet war. Im späteren 16. Jahrhundert wurde das Flachdach durch ein mächtiges Satteldach ersetzt. Die zahlreichen Fenster lassen darauf schließen, dass die Wohnfunktion des Gebäudes im Vordergrund stand. Im Unter- sowie im Erdgeschoß dürften sich die Gefängniszellen und Gerichtsräume befunden haben. Die Stuben und Säle der oberen Stockwerke waren meist getäfelt und mit Kachelöfen versehen. In einem der oberen Stockwerke lag die 1505 geweihte St. Anna-Kapelle. Sie wurde 1707 im Zuge der Verordnungen Kaiser Josefs II aufgehoben. Das Hauptgebäude lag im hinteren Drittel eines großen rechteckigen Areals, das von einer noch erhaltenen, wenn auch stark restaurierten Mauer umgeben ist. Wie die Mauer bestanden auch die vier nach innen offenen Eckrondelle aus Bruchsteinmauerwerk. Vereinzelte Spolien lassen an eine Wiederverwendung von Hausteinen aus der Burg Alt-Rettenberg denken. Die geringe Mauerstärke von 0,75 bis 1,25 m weist darauf hin, dass man wohl mit keiner ernsthaften Belagerung mehr rechnete. An den Rondellen sind einige Schießfenster und Schlüsselscharten zu sehen. Im östlichen vorderen Teil des ansonsten unbebauten und mit Obstbäumen bepflanzten Burggeländes liegt das zweigeschossige Gehöft des Schlossbauern. Es ist aus einem Nebengebäude der einstigen Feste entstanden. Ein großes Fresko an der Hoffassade des Bauernhofes zeigt Kaiser Maximilian und den vor ihm knienden Ritter Waldauf vor dem Burgschloss Neu-Rettenberg. Es wurde 1959 von Franz Krautgasser gemalt. Der vor dem Tor der südlichen Ringmauer gelegene Halsgraben ist schon lange eingeebnet. Vom Tor selbst hat sich nur der untere Teil des Blendrahmens erhalten.

Lage: Tirol/Mittleres Inntal – ca. 6 km östlich von Wattens

Besichtigung: ganzjährig frei zugänglich


Weitere Literatur:


14.02.2008