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Weissenegg (Stmk)


Weissenegg wurde im 13. Jahrhundert als „Türnlein“ bezeichnet. Möglicherweise war es lediglich ein Außenwerk der vier Kilometer entfernten Hauptfeste von Murberg, die heute nicht mehr existiert. Über die ersten Besitzer ist nichts bekannt. Der kleine Wehrbau dürfte dann den Herren von Graz gehört haben und nach deren Aussterben landesfürstlich geworden sein. 1284 wird ein Chunrat von Thurn als Lehensinhaber urkundlich erwähnt. Als im 14. Jahrhundert Murberg wegen seiner ungünstigen strategischen Lage aufgegeben wurde, baute man das „Türnlein“ zum befestigten Wohnsitz aus. Bis zu ihrem Aussterben um 1316 saßen hier die Herren von Thurn. Auf sie folgte Dietmar von Zebing. 1363 kam das Türnlein als landesfürstliches Lehen an die Grafen von Cilli. Sie ließen es entweder von Pflegern verwalten oder verpachteten es. Mit der Ermordung Ulrichs II starben die Grafen von Cilli 1456 aus. Die Burg wurde wieder landesfürstlich. 1460 wurde sie an Jörg Metschacher verliehen. 1505 verkaufte Hans I von Metschach die kleine Herrschaft an Jörg Weissenegger, dessen Familie aus dem Kärntner Lavanttal stammte, aber schon im 14. Jahrhundert über einige Lehen in der Gegend um Wildon und Leibnitz verfügte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Wehrbau bereits schlossartigen Charakter angenommen. Es gab damals bereits einen Palas und einen Torbau. Bartlmä I Weissenegger veranlasste 1530 die Änderung des nicht mehr adequaten Namens Türnlein auf Weissenegg. Beim Türkeneinfall von 1535 wurde einer der beiden Türme zerstört. Die Weissenegger bauten das Schloss weiter aus und machten es zum Zentrum ihrer steirischen Besitzungen. Hans, einer der Söhne des Jörg Weissenegger, fiel 1537 in der Schlacht von Essegg gegen die Türken. Wegen seiner guten Sichtverbindungen wurde auf dem Schlossgelände 1596 eine Kreidfeuerstation eingerichtet. Im gleichen Jahr starben die Weissenegger mit Hans III im Mannesstamm aus. 1610 verkaufte Katharina Weissenegger die Herrschaft ihrem zweiten Gatten Friedrich von Glojach.

In der Folge kam es zu langen Streitigkeiten mit Christof Freiherr von Eibiswald, der für die minderjährigen Kinder der Glojacher auf 10 Jahre mit der Verwaltung und der Renovierung des bereits baufälligen Schlosses betraut worden war. Die Glojacher waren Protestanten und mussten während der Gegenreformation das Land verlassen. Sie verkauften Weissenegg 1630 an den Freiherrn Georg Leopold von Stadl, der aber den größten Teil des Kaufpreises schuldig blieb und zahlreiche Grundstücke verkaufte. 1647 erwarb Johann von Grienpach den bereits stark herabgekommenen Besitz. Er brachte ihn 1677 in einen Fideikommiß ein und renovierte das baufällige Schloss, doch häuften sich die Schulden weiterhin, so dass ein Großteil der noch vorhandenen Grundstücke abverkauft wurde. Schließlich war der Konkurs nicht mehr zu vermeiden. 1759 erwarb Josef Anton Edler von Jukat den Rest der Herrschaft, um sie aber bereits 1768 an Franz Anton Wolfart zu verkaufen. Dieser bemühte sich um die Verschönerung der Innenräume durch Stuckarbeiten und Malereien. Ende des 18. Jahrhunderts gehörten zur Herrschaft 183 zinspflichtige Häuser. Im 19. und 20. Jahrhundert wechselten die Besitzer häufig. Darunter befanden sich Carl und Wilhelmine Pfeifer, die nach 1878 größere Restaurierungen und Umbauten im Zeitgeschmack vornehmen ließen. Von 1923 bis 1981 gehörte das Schloss den Grafen Trauttmansdorff, die sich anfangs um die Renovierung des Gebäudes sehr bemühten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es aber nur mehr wenig gepflegt. Michael Graf Trauttmansdorff starb 1978. Der nächste Besitzer ließ alles Verwertbare veräußern. Sogar 13 Kachelöfen ließ er abbauen und verkaufen. Schließlich sollte das leer stehende Schloss abgerissen werden, ein Schicksal, das bereits zuvor Teile der Wirtschaftsgebäude ereilt hatte. Die Rettung kam 1985, als es der Universitätsprofessor Dipl. Ing. Dr. Gundolf Rajakovics pachtete und zwei Jahre später kaufte. Er begann sofort damit, zahlreiche Bohrpfähle zu setzen, um die bereits stark gefährdete Statik des auf Lehm gebauten Gebäudes zu sanieren. Danach mussten die stark durchfeuchteten Mauern ausgetrocknet werden. Seither ist die Generalrestaurierung bereits weit fortgeschritten, aber noch lange nicht beendet.

Schloss Weissenegg liegt weithin sichtbar auf einem steil abfallenden Höhenrücken über der Mur am Südrand des Grazer Feldes. Dem Gelände angepasst hat es die Form eines unregelmäßigen Fünfecks. Es stellt den südlichsten Eckpfeiler jener Burgenreihe dar, die das Grazer Feld im Osten schützte. Das heutige Schloss ist ein zweistöckiges Gebäude, an das sich ein länglicher Vorhof anschließt. Dieser wurde einst von einer Wehrmauer begrenzt. Im Norden der Anlage stand der viereckige Bergfried, der wahrscheinlich aus dem Turm der ursprünglichen Burg hervorgegangen ist. Diese bestand wohl nur aus dem von einer Mauer und einem Halsgraben gesicherten Turm. Der Bergfried ist nicht mehr erhalten, doch wird das Schloss im Osten und Westen von quadratischen Türmen überragt. Die ursprüngliche Zwiebelbekrönung des Westturmes wurde im späten 19. Jahrhundert durch einen historisierenden Zinnenkranz ersetzt. Im Glockenstuhl von 1715 hängt eine 1693 von Meister Florentin Streckfuß gegossene Glocke. Dem Schloss waren starke Bastionen nach der Art Vaubans vorgelagert. Sie sind heute noch zum Teil als Stützmauern erkenntlich. Die Zufahrt zum Schloss erfolgte von Norden her, wobei ein Graben den schmalen Geländerücken durchbrach. Hier stand eine überlebensgroße Marienstatue aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Sie wird dem Bildhauer Johann Matthias Leitner zugeschrieben, hat aber den Ausverkauf des Schlosses zu Beginn der 80er-Jahre nicht überstanden. Die ehemalige Zugbrücke wurde später durch eine gemauerte Brücke ersetzt. Der Halsgraben ist jedoch längst zugeschüttet. In der Schlosseinfahrt war eine Madonnenstatue (um 1600) aufgestellt, die 1955 aus dem 1944 durch Bomben beschädigten Palais Trauttmansdorff in Graz hierher übertragen wurde. Auch sie wurde in den frühen 80er-Jahren verkauft und befindet sich heute in Schloss Dornau bei Leobersdorf.

Im Kern sind die Gebäude noch mittelalterlich. Da die Innenmauer des Nordtraktes deutlich dicker als seine Außenmauer ist, dürfte es sich dabei um die ehemalige Außenmauer der alten Burg handeln. Der Westflügel wurde im 15. und 16. Jahrhundert errichtet. Im Osttrakt sind noch Reste des ehemaligen Wehrganges zu sehen. Die dreigeschossigen Säulenarkaden, die den rechteckigen Innenhof in den Obergeschossen umgeben, stammen vom Beginn des 17. Jahrhunderts. Sie wurden im 19. Jahrhundert verglast. Da alle Fenster kaputt waren, musste der heutige Besitzer allein 640 Scheiben im Arkadengang neu verglasen. Der alte Brunnen in der Südwestecke des Hofes war angeblich etwa 80 m tief. Er wurde 1925 zugeschüttet. Die etwa 40 Innenräume hatten bis 1985 sämtliches bewegliches Inventar verloren. Bemerkenswert ist die Kapelle. Sie wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts unter Johannes Baptist von Grienpach gemeinsam mit dem Kapellenturm errichtet und erhielt 1698 ihre Messlizenz. Allerdings verfügte bereits die alte Burg noch vor 1535 über eine Kapelle im Westturm. Zwar wurden Altar und Altargemälde der neuen Kapelle anfangs der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts entfernt, doch haben sich die prächtigen Stukkaturen der Kapellendecke von Antonio Quadrio erhalten. Der Freskenmaler ist namentlich nicht bekannt, doch vermuten manche Kunsthistoriker Franz Stainpichler, der wie auch Quadrio am Grazer Mausoleum gearbeitet hatte. Im Nordflügel haben sich einige Tramdecken erhalten. Im West- und im Südtrakt sind die Zimmer des ersten und zweiten Stocks teilweise mit Stuckdecken versehen. Sie wurden 1771/72 eingebaut. Ein Raum im zweiten Obergeschoß wurde 1784 von Franz Moser mit illusionistischen Wandmalereien geschmückt, die exotische Tiere und Flusslandschaften darstellen. Der Maler hatte vermutlich diese Tiere nie zu Gesicht bekommen. Sie tragen meist menschliche Züge.

Lage: Steiermark/Graz-Umgebung – ca. 10 km südlich von Graz

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


07.02.2008